Keine Einschränkungen in der Betriebsmedizin
Wird es in Zukunft schwieriger werden, die Betriebsärztin oder den Betriebsarzt aufzusuchen? Werden die Vorsorgeuntersuchungen eingeschränkt werden? Wird vielleicht an der betrieblichen Sicherheit gespart? Die Ärzteschaft ist jedenfalls alarmiert, seit Pläne der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) bekannt wurden, die Bemessungsgrundlagen für Betriebsärzte zu ändern.
Hintergrund ist die Tatsache, dass die DGUV seit geraumer Zeit überlegt, eine Halbierung der betriebsärztlichen Mindesteinsatzzeit in der Betreuungsgruppe III von zwölf auf sechs Minuten pro Beschäftigtem und Jahr vorzunehmen.
Bewährtes System könnte Schaden nehmen
Auch der Generalbevollmächtigte von DOKTUS, Karl-Hermann Leukert sieht die Pläne der DGUV kritisch: „Gerade die Covid-19-Pandemie hat klar gezeigt: ohne Betriebsärztinnen und Betriebsärzte wäre wohl kaum eine individuelle Beratung von gesundheitlich besonders gefährdeten Beschäftigten, keine Strategieplanung von Arbeitgebern zum Gesundheitsschutz ihrer Beschäftigten und schon gar kein Impfprogramm am Arbeitsplatz möglich gewesen. Eine solch starke Reduzierung der Bemessungsgrundlage – wie von der DGUV ins Spiel gebracht – wäre aus unserer Sicht kontraproduktiv und gefährlich.“
Mit seiner Kritik steht Leukert nicht allein. Auch die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin ist entsetzt über die Pläne und fürchtet, dass in den Betrieben nun viel arbeitsmedizinische Kompetenz verloren gehen könne. Doch nicht nur die Arbeitsmediziner schlagen Alarm. Bei 126. Deutschen Ärztetag im Mai in Bremen appellierten die Mediziner an die DGUV, die geplanten Änderungen nicht umzusetzen. Für Unterstützung warb der Ärztetag dafür bei Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, bei den Arbeitgeberverbänden und beim DGB.
Wird die Axt ausgerechnet bei der Grundversorgung angesetzt?
Mögliche Folgen einer Änderung der Bemessungsgrundlage der betriebsärztlichen Einsatzzeiten sind tatsächlich problematisch. „Wie sollen wir denn innerhalb von sechs Minuten eine individuelle und qualitativ hochwertige arbeitsmedizinische Betreuung mit ihren vielfältigen Facetten gewährleisten?“, stellt Karl-Hermann Leukert von DOKTUS das Ansinnen in Frage.
Falsches Signal an die Ärzte
Der Deutsche Ärztetag weist im übrigen auch darauf hin, dass die arbeitsmedizinischen Weiterbildungsangebote sehr gut angenommen würden. Die Zahl der Medizinerinnen und Mediziner, die auf diese Weise den Facharzt für Arbeitsmedizin oder die Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin” erlangen ist stetig steigend. Der Ärztetag fürchtet, dass bei einer Änderung der DGUV2, es zu einer Überversorgung an Arbeitsmedizinern und Betriebsärzten kommen könnte. Das könnte sich in der Zukunft rächen. Wenn es zu einer Überkapazität kommt, wird es unattraktiv, sich auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin fortzubilden. Aus einer Überkapazität wird sehr schnell ein Mangel an Fachkräften entstehen. Spätestens dann wird die medizinische Vorsorge in den Betrieben nicht mehr umsetzbar sein. Insofern würde die Änderung der DGUV2 auch ein verheerendes Signal an die Ärzteschaft senden, vor allem aber an junge Ärzte, die sich mit dem Gedanken tragen, sich im Bereich der Arbeitsmedizin fortzubilden.
Peter S. Kaspar