Wie korrupt ist Deutschland

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Hilft das Hinweisgeberschutzgesetz bei der Bekämpfung der Korruption? – Bildquelle: Fotolia

Das wichtigste Ziel des Hinweisgeberschutzgesetzes ist es, Korruption in Ämtern, Behörden und der freien Wirtschaft in Deutschland einzudämmen. Mitarbeiter sollen durch das Gesetz die Möglichkeit erhalten, Hinweise auf korruptive Vorgänge möglichst anonym weitergeben zu können. Selbst wenn die Anonymität aus irgendwelchen Gründen am Ende nicht gewahrt bliebe, wäre der Hinweisgeber durch das Gesetz geschützt, denn es versagt auch Arbeitgebern jegliche Restriktion gegen einen Hinweisgeber. Ist das Gesetz also das scharfe Schwert im Kampf gegen illegale Machenschaften? Andere fragen sich allerdings: Ist so ein scharfes Schwert überhaupt nötig? Die Zahlen belegen doch, dass Deutschland eines der am wenigsten korrupten Länder auf dieser Erde ist. Ist das wirklich so? DOKTUS hat einmal genauer nachgeschaut.

Leidet Deutschland unter der Korruption?

Auf den ersten Blick sieht alles sehr gut aus. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegt Deutschland Rang neun. Keine der anderen großen Industrienationen schafft es in diesem Ranking unter die ersten zehn. In der EU belegt die Bundesrepublik derzeit Rang fünf. In den letzten zehn Jahren ist Deutschland von Platz 13 auf Platz 9 vorgerückt. Noch besser sieht es aus, wenn man das „Bundeslagebild Korruption 2022“ des Bundeskriminalamtes (BKA) betrachtet. Danach sind die Korruptionsfälle in Deutschland insgesamt um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Doch warum spiegelt sich das dann nicht im internationalen Korruptionsindex wieder?

Was ist der Korruptionsindex?

Tatsächlich handelt es sich beim Korruptionsindex und bei Bundeslagebild Korruption um zwei völlig unterschiedliche Dinge. Was nämlich im allgemeinen Sprachgebrauch verkürzt Korruptionsindex genannt wird, heißt in Wirklichkeit Korruptionswahrnehmungsindex. Die Zahlen basieren auf Umfragen in den einzelnen Ländern, bei Laien und Fachleuten. Die Fragen drehen sich nur darum, wie die Korruption im eigenen Land wahrgenommen wird, was durchaus sehr subjektiv sein kann. Ein Beispiel: Italien belegt nur Platz 42. In den Jahrhunderten zwischen Medici und Mafia haben Italiener ihr Land immer als besonders korrupt angesehen. Ständig wechselnde Regierungen haben das Vertrauen in den eigenen Staat nicht gerade bestärkt. Allerdings sind den italienischen Behörden in den letzten Jahrzehnten viele massive Schläge gegen die unterschiedlichen Mafia-Organisationen gelungen. Ob das Ranking die Realität wiedergibt, ist daher noch längst nicht klar.

Ist das Bundeslagebild Korruption verlässlich?

Das BKA ist in seinem Bericht selbst skeptisch. Vergleicht man die Bundeslagebilder der vergangenen Jahre miteinander, erkennt man immer wieder große Ausschläge nach oben und nach unten. Dass das Jahr 2022 so überraschend gut aussieht, hat aus Sicht des BKA zwei Gründe. Einerseits sind 2021 in mehreren Bundesländer langjährige umfangreiche Ermittlungen abgeschlossen worden, mit denen einige bedeutende Korruptionsstrukturen zerschlagen wurden. Andererseits spielte auch die Corona- und kriegsbedingte Wirtschaftskrise eine Rolle. Einerseits fehlte der öffentlichen Hand bisweilen die Mittel für aufwändige Untersuchungen und andererseits fehlte, vereinfach gesagt, potentiellen Tätern das nötige Bestechungsgeld. Allerdings weist das BKA auch auf ein „großes Dunkelfeld“ hin. Übersetzt heißt das, dass die weitaus überwiegende Zahl von Korruptionsdelikten nie bekannt wird.

Wie wichtig ist das Hinweisgeberschutzgesetz bei der Verfolgung von Korruption?

In seiner Gesamtbewertung zum Bundeslagebild Korruption weist das BKA darauf hin, dass Korruption noch immer ein „sehr ernstzunehmendes“ Problem bleibe, dass dazu geeignet sei, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Politik und Wirtschaft zu erschüttern. Abschließend unterstreicht der Bericht auch die Wichtigkeit des Hinweisgeberschutzgesetzes, ohne es explizit zu nennen. In dem Bericht heißt es: „Mit speziellen Aus- und Fortbildungsangeboten, Sensibilisierungsmaßnahmen sowie der Etablierung von Compliance-Strukturen als auch mittels organisatorischer und personeller Vorkehrungen kann der Entstehung korruptiver Strukturen entgegengewirkt werden.“

Peter S. Kaspar