Das Ende des Verbandbuches
Es ist ja schnell mal passiert: Eine ungeschickte Bewegung und ein simples Blatt Papier hat einen hässlichen Schnitt am Zeigefinger hinterlassen. Das ist zwar nicht besonders schlimm, aber es blutet eben heftig und droht den Schreibtisch zu versauen. Kein Problem, der Weg zum Verbandskasten ist hoffentlich nicht weit und ein betrieblicher Ersthelfer für den kleinen Schnitt auch nicht nötig. Der Verbandskasten ist glücklicherweise gut gefüllt. Pflaster rausgeholt, über den Finger und alles ist gut – zurück an die Arbeit. Das kleine grüne Buch, im oder neben dem Verbandskasten wurde geflissentlich ignoriert – und schon hat man gegen eine nicht ganz unwichtige Bestimmung des Arbeitsschutzes verstoßen. Und das möglicherweise mit Folgen.
Ein kleiner Schnitt mit einer schlimmen Wirkung
In den allermeisten Fällen ist der kleine Schnitt am nächsten Tag schon wieder vergessen – aber eben nicht in allen Fällen. Es kann immer passieren, dass sich der Schnitt vielleicht entzündet und sich diese Entzündung zu einer – vielleicht sogar langwierigen – Krankheit entwickelt. Nun stellt sich, wie häufig in solchen Fällen, die Frage: Handelt es sich um einen Betriebsunfall oder ist die Ursache außerhalb des Arbeitsumfeldes zu suchen. Spätestens hier kommt das kleine grüne Buch ins Spiel. Ein Eintrag ins Verbandbuch gilt den Unfallversicherern als unumstößlicher Beweis eines Arbeitsunfalles. Im Umkehrschluss wird es schwierig, einen Arbeitsunfall nachzuweisen, für den es keinen Eintrag im Verbandbuch gibt. Daher empfiehlt DOKTUS, schon die kleinste Verletzung während der Arbeit mindestens zu dokumentieren.
Verbandbuch sinnvoll, aber nicht mehr ganz legal
Das Verbandbuch hat allerdings ein großes Problem und wird – zumindest als Buch – zum Auslaufmodell. Bei einer Verletzung werden nämlich unter anderem Name der verletzten Person, Ort und Zeitpunkt des Unfalls, der Unfallhergang und die Art der Verletzung in dem Verbandbuch aufgenommen. Das ist sinnvoll für den Arzt, für die Versicherung und auch für den Arbeitgeber. Der kann durch ein Verbandbuch erkennen, ob es möglicherweise einen noch nicht entdeckten Unfallschwerpunkt in seinem Betrieb gibt. Doch auch für den Verunglückten selbst ist es wichtig, dass der Unfall praktisch in Echtzeit dokumentiert wird. Denn es macht für ihn einen gewaltigen Unterschied, ob bei eventuellen Folgen des Unfalls die Krankenkasse oder die gesetzliche Unfallversicherung für die Kosten aufkommt. Trotzdem gibt es ein Problem: Die Daten, die ins Verbandbuch eingetragen werden, sind ganz offensichtlich ja personenbezogene Daten. Und die dürfen nicht einfach so in der Gegend herumliegen. Das Verbandbuch in oder neben dem Verbandskasten ist damit ein Auslaufmodell.
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DSGVO gegen DGUV
Verboten ist das grüne Buch keineswegs. Es darf eben nur nicht mehr für jeden zugänglich sein. Eine leichte und schnelle Zugänglichkeit ist im Interesse der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), während die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vorschreibt, dass personenbezogene Daten möglichst unzugänglich für Dritte aufbewahrt werden müssen. Auf den ersten Blick scheint dieses Dilemma kaum auflösbar.
Vom Buch zur elektronischen Dokumentation
Dabei ist die Lösung gar nicht so schwer, auch wenn sie ein wenig Umgewöhnung erfordert. Statt eines Buches können die Unfallmeldungen mit allen notwendigen Angaben auch auf einem Abreißblock dokumentiert werden. Jetzt braucht es nur noch einen passenden Briefkasten, idealerweise neben dem Verbandkasten, in den die Unfallmeldung geworfen wird. Und damit sollten den Anforderungen sowohl der DGUV als auch des DSGVO Genüge geleistet sein. Eines ist jedenfalls wichtig: Niemand sollte auf eine Unfallmeldung im Betrieb verzichten, weil es zu kompliziert ist. Das gilt auch für einen kleinen Schnitt durch ein Blatt Papier.
Eine sinnvolle Alternative ist die elektronische Dokumentation, die beispielsweise bei der Abteilung HR (Human Resources) angesiedelt sein könnte. Hierbei müssen allerdings alle Auflagen des Datenschutzes und der Datensicherheit berücksichtigt werden. Des Weiteren ist durch entsprechende technische Maßnahmen zu gewährleisten, dass zur Bearbeitung nur berechtigte Personen Zugriff auf das digitale Verbandbuch haben (Ablage, Unfallanalyse, Auswertungen u.s.w.). Beispielsweise kann ein digitales Verbandbuch im Innendienst über das Intranet und im Außendienst über digitale Endgeräte zur Verfügung gestellt werden. Ein Vorteil ist, dass die Daten zeitnah geliefert werden können. Auch die Auswertungen gestalten sich einfacher.
Peter S. Kaspar