Künstliche Intelligenz und Whistleblower
Spätestens mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist es klar, dass es nicht nur die Europäische Union, sondern auch der Bund ernst meint mit der konsequenten Bekämpfung von Korruption, Geldwäsche und Terrorfinanzierung. Die Zeiten sind endgültig vorbei, als Bestechung und Bestechlichkeit noch als Kavaliersdelikt betrachtet wurden. Das Gesetz ist zudem ein klares Signal an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass die Loyalität zum Arbeitgeber dann endet, wenn der sich krimineller Machenschaften schuldig macht.
Warum sind Whistleblower nun viel besser geschützt?
Das Gesetz schützt Whistleblower vor Repressionen. Kein Arbeitgeber kann einen Beschäftigten mehr entlassen, weil der etwa einen Bestechungsversuch oder eine Steuerhinterziehung bekannt gemacht hat. Er kann auch sein Gehalt nicht kürzen, ihn an eine andere Stelle versetzen, Urlaub verweigern oder auch nur eine Abmahnung schreiben. Selbst wenn sich der Whistleblower geirrt haben sollte, er aber in gutem Glauben und nicht fahrlässig gehandelt hat, bleibt er geschützt. Möglicherweise hilft in Zukunft auch künstliche Intelligenz eben solche Fehler zu vermeiden oder – umgekehrt – Angaben von Hinweisgebern zu verifizieren.
Wie kann Künstliche Intelligenz helfen, das Hinweisgeberschutzgesetz durchzusetzen?
Es beginnt schon bei den Anlaufpunkten. Hinweisgeber oder Whistleblower sollen sich bei einem Verdacht an eine interne oder externe Meldestelle wenden, die dann dem Fall nachgeht. Hier sind schon vielfach eigens entwickelte Softwarelösungen im Einsatz. Wenn eine solche Softwarelösung eine künstliche Intelligenz integriert hat, bieten sich einige Vorteile. Sie kann, wenn sie eingehende Meldungen automatisch erfasst, bereits Prioritäten feststellen und damit für sehr schnelle Reaktionszeiten sorgen. So können die Ressourcen des Unternehmens effektiver genutzt werden.
Muster erkennen
Was Künstliche Intelligenz sehr gut kann, ja was eigentlich ihre Kernkompetenz ist: Muster zu erkennen. Bei der Bekämpfung von betriebsinterner Korruption kann das entscheidend sein. Es gibt zwei Formen von Korruption, die für Unternehmen in der Regel unterschiedlich gravierend sind. Da ist einerseits die situative Korruption. Sie entsteht nach dem Prinzip „Gelegenheit macht Diebe“ und bleibt häufig ein Einzelfall. Das ist es zwar für ein Unternehmen ärgerlich aber kein großes Problem. Doch wenn es nicht beim Einzelfall bleibt, dann kann aus der situativen Korruption bald eine strukturelle werden. Die kann nun wirklich schwerwiegende Folgen für ein Unternehmen haben. Spätestens an dieser Stelle wird die KI wieder interessant. Sie kann eben die Muster erkennen, die strukturelle Korruption hinterlässt. Es ist schließlich ein Gebot der Logik: Strukturen hinterlassen Spuren. Allerdings benötigen Menschen viel Zeit und große Aufmerksamkeit, vor allem aber einen Anlass, um die Strukturen zu erkennen. Hier zeigt sich die Künstliche Intelligenz der menschlichen überlegen. Die Auswertung von Hinweisen und Indizien geht nicht nur viel schneller, sondern auch die daraus resultierende Interpretation. KI kann auch die Unternehmensphilosophie mit der Firmenrealität abgleichen und feststellen, wo die Gefahr besteht, dass sich korrupte Strukturen bilden können.
Kann die KI Whistleblower und Hinweisgeber ersetzen?
Braucht es eigentlich ein Hinweisgeberschutzgesetz, wenn die KI die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel besser überwachen kann? Zum einen sind Beschäftigte keine Spitzel und eine Software sollte auch nicht zur Überwachung der Belegschaft eingesetzt werden. Tatsächlich ist es so, dass Hinweisgeber und KI Hand in Hand gehen. Die künstliche Intelligenz wirkt unterstützend, immerhin dient sie ja nur als Werkzeug für Software der internen oder externen Meldestelle. Zudem wird ja die Entscheidung, ob einem Fall nachgegangen wird, oder nicht, noch immer von Menschen, das heißt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Compliance-Stellen getroffen.
Es scheint also wenig wahrscheinlich, dass die KI an dieser Stelle die Hinweisgeber oder gar die Compliance-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ablösen wird. Vielmehr ist allerdings denkbar, dass bestimmte – korruptionsanfällige – Positionen nach und nach durch KI ersetzt werden könnten. Der Vorteil liegt natürlich auf der Hand: Computer sind einfach unbestechlich.
Peter S. Kaspar