Von Floskeln, die auf Füße fallen
„Wie schreibe ich eine gute Bewerbung?“ Zu diesem Thema gibt es jede Menge Bücher, Videoratgeber, Tutorials und Schulungen. Das alles hatte für die Bewerber:innen ein Ziel: Die Chance auf einen Arbeitsplatz deutlich zu erhöhen. Umgekehrt mussten sich Firmen, die Arbeitsplätze anzubieten hatten, nur mäßige Gedanken über ihre eigenen Bemühungen machen. Solange auf eine Stellenanzeige Hunderte von Bewerbungen ins Haus flatterten, war das auch nicht nötig. Doch die Zeiten haben sich geändert. Nicht nur hochqualifizierte Fachkräfte in Handwerk und Industrie werden noch immer dringend gesucht. Auch die Gastronomie, der Einzelhandel und die Pflege suchen händeringend nach qualifizierten Bewerbern. Dass zum Beispiel ein Sozialarbeiter in einer eher ländlichen Region Hessens sechs Stellenangebote auf sechs Bewerbungen erhält, ist inzwischen eher der Normal- als ein Glücksfall. Für viele Entscheider in Personalabteilungen oder auf der Human-Ressources-Ebene stellt sich nicht mehr die Frage, ob eine Bewerberin oder ein Bewerber eine besonders pfiffige Bewerbung formuliert hat. Im Gegenteil, heute gilt es eher, eine besonders aussagekräftige Stellenanzeige zu kreieren, um überhaupt Bewerber:innen anzulocken. DOKTUS hat einmal das Einst und Jetzt verglichen und erklärt, warum das Einst heute kaum noch funktioniert.
Von schönen Worten und bitteren Wahrheiten
Wenn es darum geht, unangenehme Wahrheiten in schöne Worte zu packen, war die Wirtschaft schon immer gut. Statt von Entlassungen spricht man lieber von Freisetzung, Preise werden auch nicht erhöht, sondern angepasst und wer in seinem Arbeitszeugnis liest, dass er „sich stets bemüht“ habe, hat es quasi amtlich, dass er ein Vollversager ist. Auch Stellenanzeigen stecken bis heute voller schöner Floskeln, hinter denen sich möglicherweise ein weniger schöner Arbeitsalltag verbergen könnte. Da sind zum Beispiel die berühmten „flexiblen Arbeitszeiten“. Heißt das nun, dass sich der Bewerbende aussuchen kann, wann er arbeitet? Wohl eher nicht. Tatsächlich kann es eine Menge bedeuten: Dahinter kann sich Gleitzeit verbergen oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, auch unterschiedliche Modelle von Arbeitszeitkonten können damit gemeint sein – oder hinter der Formulierung steckt die Erwartung, dass die künftige Mitarbeiterin oder der künftige Mitarbeiter rund um die Uhr auf Abruf stehen.
Euphemismen sind gefährlich geworden
Letztendlich geht es auch immer ums Geld. Da zeigt sich, wie gefährlich so ein Euphemismus für Unternehmen inzwischen sein kann. Die Floskel „Leistungsgerechte Bezahlung“ wird häufig benutzt. Doch was steckt dahinter? Was leistungsgerecht ist, bestimmt letztlich immer der, der das Geld gibt. Möglicherweise laufen die Vorstellungen darüber, was nun eine leistungsgerechte Entlohnung für die viele Arbeit ist, weit auseinander. Ein Chef, der notorisch unzufrieden mit der Leistung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist, wird unter leistungsgerecht eher einen Hungerlohn verstehen. Besonders gefährlich ist der auch stets gern genommene „abwechslungsreicher Aufgabenbereich“. Der signalisiert nun weniger einen spannenden Arbeitsalltag, als viel mehr das „Mädchen für alles“ zu sein. Gerade die Generation die nun in den Arbeitsalltag einsteigt, die vielbeschworene Generation Z, erwartet da schon konkretere Angaben, zum Beispiel beim Gehalt. Das Wirtschaftsmagazin „Impulse“ berichtet, dass Stellenanzeigen mit einem konkreten Gehaltsangebot 30 Prozent mehr Bewerber anlocken.
Worauf sollte man bei einer Stellenanzeige achten?
Eine große Rolle spielt tatsächlich die Angabe des Gehalts. Damit tun sich viele Unternehmen schwer. Nur selten wird in Stellenanzeigen eine konkrete Summe genannt. Doch auch wer Probleme damit hat, konkrete Zahlen in eine Stellenanzeige zu schreiben, kann konkreter werden als „attraktives Gehalt“. Wenn sich zum Beispiel das Gehalt „am branchenüblichen Tarifvertrag orientiert“, signalisiert das auf jeden Fall eine Untergrenze, aber auch die Bereitschaft darüber zu verhandeln.
Grundsätzlich wirken Stellenanzeigen verlockender, wenn die Aussagen möglichst konkret gehalten sind. Bei den berühmten „flexiblen Arbeitszeiten“ ist es zum Beispiel ganz schön zu wissen, in was die Flexibilität nun eigentlich besteht. Ähnliches gilt für Aufstiegsmöglichkeiten, die in Stellenanzeigen auch häufig beschworen werden.
Das gewisse Extra
Viele Unternehmen sind inzwischen dazu übergegangen, auch gewisse Extras in die Stellenanzeigen zu packen. Ob das ein Dienst-E-Bike ist, die Übernahme des 49-Euro-Tickets oder die täglich frische Obstschale – in vielen Stellenanzeigen finden sich interessante Zugaben zum nackten Gehalt. Das kann in der Tat ein interessantes Lockmittel für Bewerberinnen und Bewerber sein. Doch am Ende wird es zu einem Bewerbungsgespräch kommen. Und da haben sich die Vorzeichen inzwischen oft verändert. Nicht mehr der Arbeitssuchende bewirbt sich bei einem Arbeitgeber, sondern in vielen Branchen ist es gerade umgekehrt. Und dann braucht es gute Argumente über das Gehalt hinaus. Da wird dann der täglich frische Obstkorb am Ende eher nicht ausreichen.
Peter S. Kaspar