Krankheit als Kündigungsgrund?
Immer wieder gibt es Geschichten von Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern, die aus gesundheitlichen Gründen gekündigt worden sind und dadurch in große Not gerieten. Ist das in einem Land mit so ausgeprägten Kündigungsschutz wie in Deutschland überhaupt möglich? Ja, es ist möglich, allerdings sind die Hürden für das Unternehmen hoch. Eine Krankschreibung und eine Woche lang Krankenlager reichen da bei weitem noch nicht, um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu begründen. Was muss also passieren, damit jemand wegen Krankheit seinen Job verliert? DOKTUS hat nachgeforscht.
Ab wann ist eine Kündigung wegen Krankheit statthaft?
Wenn die Krankheit einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters das Unternehmen gefährdet, darf sie oder er entlassen werden. Soweit die Theorie. In Betrieben mit weniger als 10 Beschäftigten, kann es schon beim Fehlen einer Person kritisch werden. Ein Großkonzern mit 300.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird vermutlich kaum merken, wenn eine Person fehlt und sei es ein ganzes Jahr. Das heißt allerdings nicht, dass Beschäftigte in Riesenunternehmen so lange krankfeiern können, wie es ihnen beliebt. Es gibt eine Art Richtwert, der besagt, wenn jemand länger als sechs Wochen fehlt, kann der Schaden so hoch sein, dass eine Kündigung gerechtfertigt sein könnte.
Spielt die Dauer einer Krankheit eine Rolle?
Nur bedingt. Wer sich zum Beispiel ein Bein bricht oder wem Bänder und Sehnen reißen, fällt oft deutlich länger als sechs Wochen aus. Trotzdem ist das kein Grund für einen Rauswurf. Wenn eine Mitarbeiter:in hingegen häufig einmal für eine Woche wegen einer Erkältung ausfällt und die Fehltage praktischerweise auf einen Brückentag oder ähnliches fallen, könnte damit schon der Anlass für ein gewisses Misstrauen gegeben sein. Doch auch dann ist ein sofortiger Rausschmiss wenig wahrscheinlich. Vor einer Kündigung steht zunächst einmal eine Abmahnung im Raum. Die wird ausgesprochen, wenn der Arbeitgeber glaubt, dass bei den Krankschreibungen nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Möglicherweise kann das auch mit einer Untersuchung durch den Amtsarzt einher gehen. Der darf das Untersuchungsergebnis allerdings nicht dem Unternehmen preisgeben, sondern nur der zuständigen Krankenkasse. Der Arbeitgeber erfährt nur, ob die die Krankschreibung angemessen war oder nicht.
Verlässlichkeit muss gegeben sein
Der Arbeitsrechtsexperte Alexander Birkhan erklärte gegenüber Spiegel online, dass es in der ersten Linie um eine positive Entwicklung gehe. Deshalb spiele die Gesundheitsprognose eine entscheidende Rolle. Daraus lässt sich schließen, dass es Unternehmen in erster Linie um Verlässlichkeit geht. Wer aus einer langwierigen Krankheit zurück an den Arbeitsplatz kommt und zuvor als verlässlicher Mitarbeiter bekannt war, besitzt natürlich einen gewissen Vertrauensvorsprung gegenüber Kollegen, die zwar genau so viele Fehltage aufweisen, dafür aber über das ganze Jahr verteilt.
Langzeit erkrankte Kolleginnen und Kollegen und das BEM
Nun gibt es auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich nach langer Krankheit an ihrem alten Arbeitsplatz nicht mehr zurecht finden. Das kann verschiedene Gründe haben. Entweder hat sich an dem Arbeitsplatz, etwa durch Innovationen, sehr viel verändert, oder körperlich wird die Kollegin oder der Kollege am alten Arbeitsplatz überfordert sein. Hier haben Beschäftigte nach sechswöchiger Fehlzeit den Anspruch auf ein Berufliches Eingliederungs-Management (BEM), an dem unter anderem der Betriebsarzt maßgeblich beteiligt ist. Hier wird nun ausgelotet, ob und wie jemand an seinem alten Arbeitsplatz wieder integriert wird, oder, wenn das nicht geht, wie eine zukünftige Aufgabe im Unternehmen aussehen könnte. Viele Beschäftigte fürchten allerdings das BEM und verkennen es als verkappten Kündigungsmechanismus. Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus, in den meisten Fällen erhalten die Betroffenen eine neue Aufgabe im Unternehmen, wenn die alte nicht mehr erfüllt werden kann.
Peter S. Kaspar
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