Eingeschränkte Schweigepflicht für Betriebsärzte?
Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, darf erwarten, dass der Arzt alles, was er im Rahmen dieser Behandlung erfährt für sich behält. Die meisten Patienten gehen bei ihrem Hausarzt selbstverständlich davon aus, dass er sich strickt an die ärztliche Schweigepflicht hält.
Was den Betriebsarzt angeht, so sind viele Arbeitnehmer jedoch misstrauisch. Sie fürchten, dass der Betriebsmediziner vertrauliche Untersuchungsergebnisse an den Arbeitgeber weiterleiten könnte. Denn der Betriebsarzt ist in einem gewissen Umfang in den Betrieb eingebunden und wird letztlich auch vom Arbeitgeber beauftragt.
Rechtlich gesehen unterscheiden sich die ärztlichen Pflichten eines Betriebsarztes jedoch nicht von denen jedes anderen Arztes. Um dies gesetzlich zu manifestieren, ist die Schweigepflicht für Betriebsärzte in § 8 Absatz 1 Satz 3 Arbeitssicherheitsgesetz ausdrücklich geregelt. Auch ein Betriebsarzt macht sich im Fall eines Verstoßes gegen die Schweigepflicht strafbar (§ 203 StGB).
Umfang der Schweigepflicht
Unter die ärztliche Schweigepflicht fallen alle Tatsachen und Umstände, an deren Geheimhaltung der Patient ein begründetes Interesse hat. Der Arzt darf in der Regel noch nicht einmal den Namen des Patienten mitteilen oder die Tatsache, dass dieser beim Arzt war. Begibt sich ein Patient zu einer Untersuchung beim Betriebsarzt, gibt es allerdings aufgabentypische Ausnahmen. So wird das stillschweigende Einverständnis damit vorausgesetzt, dass der Arbeitgeber über die Tatsache der Untersuchung informiert wird.
Handelt es sich um eine Eignungsuntersuchung, dann wird gleichfalls vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer damit einverstanden ist, dass der Betriebsarzt dem Arbeitgeber die Frage nach der Eignung beantwortet. Der Betriebsarzt darf also dem Arbeitgeber mitteilen, ob hier ärztliche Bedenken gegen eine Beschäftigung an dem entsprechenden Arbeitsplatz bestehen oder nicht. Eine konkludente Einwilligung in weitere Auskünfte zum Gesundheitszustand darf aber auch im Rahmen einer betriebsärztlichen Untersuchung nie vorausgesetzt werden. Und: Eine Einwilligung darf nur angenommen werden, solange der Patient nicht ausdrücklich widerspricht.
Wenn der Patient im Verlauf der Untersuchung oder danach, die Weitergabe von Informationen ausdrücklich ablehnt, dann muss sich der Betriebsarzt daran halten. In dem Fall darf er dem Arbeitgeber nicht einmal mehr die Frage nach der Eignung beantworten. Dem Arbeitnehmer selbst sind jedoch die Untersuchungsergebnisse mitzuteilen. Teilweise versuchen Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsvertrages eine pauschale Entbindung von der Schweigepflicht durch den Arbeitnehmer zu vereinbaren.
Das ist nicht zulässig. Nur eine auf den Einzelfall bezogene Schweigepflichtsentbindung durch den Arbeitnehmer ist verbindlich. Sofern den Arzt oder Betriebsarzt die Schweigepflicht trifft, kann der Arbeitnehmer dennoch verpflichtet sein, dem Arbeitgeber selbst die Mitteilung über eine Erkrankung zu machen. Dies gilt, wenn eine Gefährdung von Dritten am Arbeitsplatz droht.
Ausnahmen von der Schweigepflicht
Es gibt aber auch Ausnahmen von der ärztlichen Schweigepflicht, die sich aus gesetzlichen Bestimmungen ergeben. Diese betreffen nicht nur den Betriebsarzt, sondern jeden Arzt. So schreibt § 202 SGB VII vor, dass der Arzt dem Unfallversicherungsträger anzeigen muss, sofern er den begründeten Verdacht auf eine Berufskrankheit des Patienten hat. Der Patient muss eine Information über den Inhalt und den Adressaten der Anzeige erhalten. Stellt der Betriebsarzt im Rahmen seiner Untersuchung fest, dass der Arbeitnehmer unter einer meldepflichtigen Krankheit leidet, darf und muss er diese Information an das Gesundheitsamt weiterleiten. Je nach Krankheit hat hier eine namentliche Meldung zu erfolgen oder eine nichtnamentliche Registrierung.
Auch in Fällen, in denen höherwertige Rechtsgüter es erforderlich machen, darf gegen die Schweigepflicht verstoßen werden. Es muss ein Fall des rechtfertigenden Notstands im Sinne des § 34 Strafgesetzbuch (StGB) vorliegen. Leider ist es im Einzelfall nicht immer leicht zu entscheiden, ob der Arzt die Daten weitergeben darf. Generell geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Gefahr für Leib und Leben Dritter den Geheimhaltungsinteressen des Arbeitnehmers überwiegt.
Allerdings muss der Arzt im Einzelfall abwägen. Stellt er beispielsweise bei einem Berufskraftfahrer eine Alkoholerkrankung fest, so muss er zunächst versuchen, direkt auf den Arbeitnehmer einzuwirken. Er muss ihn über Therapiemaßnahmen aufklären und ihm die Möglichkeit geben, von sich aus Maßnahmen einzuleiten. Stellt der Arzt jedoch fest, dass der Arbeitnehmer weiterhin seinen Beruf ausübt, dann darf bzw. muss er die Krankheit offenbaren. Gleiches gilt für den Fall, dass der Arzt von einer geplanten Straftat erfährt, welche die Gesundheit oder das Leben Dritter gefährdet.
Änderung von Vorschrift des BMAS und BWG
Wichtig ist auch, dass die arbeitsmedizinische Vorsorge zunächst nur ein ärztliches Beratungsgespräch (nicht Einstellungsuntersuchung) einschließlich Arbeitsanamnese umfasst.
Sollte der Arzt eine körperliche oder klinische Untersuchung für erforderlich halten, so darf diese nur als Angebot an den Beschäftigten herangetragen werden.
Solche Untersuchungen sind nicht “duldungspflichtig” wie es die BGW nennt, das heißt der Beschäftigte darf dies ablehnen.
Auch das BMAS stellt klar: Untersuchungen dürfen nicht gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden und es darf bei Lehnung des Arbeitnehmer keine
arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich tragen.
Wichtig für Betriebsarzt und Arbeitgeber ist aber eben auch, dass alle Leistungen aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge unter die ärztliche Schweigepflicht fallen.
Wenn der Betriebsarzt aus personenbezogenen medizinischen Gründen einen Tätigkeitswechsel/ -verbot für erforderlich hielte, dürfe er diese Info nicht an den Arbeitgeber weitergeben,
sollte ein Betriebsarzt dennoch den Arbeitgeber informieren, verstößt er gegen die ärztliche Schweigepflicht. Der Betroffene kann dann strafrechtlich gegen den Arzt vorgehen.
Es sei denn, der betreffende Beschäftigte stimme dem persönlich und schriftlich zu.
Auch Betriebsärzte wissen nicht alles