Doping am Arbeitsplatz ist gesundheitsgefährdend – und liegt doch im Trend
Alkohol, Marihuana, Tabletten. Wenn es um Erhalt oder Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz geht, haben deutsche Erwerbstätige immer weniger Skrupel, zu echten oder vermeintlichen Aufputschmitteln zu greifen. Spätestens nach der großangelegten Studie der Deutschen Angestellten Krankenkasse über Doping am Arbeitsplatz aus dem Jahr 2015 ist bekannt, dass rund drei Millionen Menschen hierzulande einschlägige Erfahrungen mit stimulierenden Substanzen in Arbeitssituationen haben. Die Dunkelziffer liegt sogar bei fünf Millionen – und die Tendenz ist steigend.
Waren es im vorigen Jahrhundert vor allem hochprozentige alkoholische Getränke, die in Stresssituationen in deutschen Büros konsumiert wurden, hat sich in den letzten 20 Jahren der Trend zu Tabletten verstärkt. Alkohol gilt nach jahrzehntelanger Aufklärungsarbeit von Betriebsärzten und Krankenkassen mittlerweile als geächtet. Getrunken wird mittlerweile während der Arbeitszeit zumeist nur noch heimlich. Im gleichen Maße ist jedoch die gesellschaftliche Akzeptanz leistungssteigernder Medikamente gestiegen. Wer sich dopt, um bessere Arbeitsergebnisse zu erzielen, gilt als „harter Hund“, der sich nicht so schnell aus der Bahn werfen lässt.
Arbeitsmediziner warnen jedoch schon lange vor den hohen gesundheitlichen Risken bei der Einnahme von Aufputschmitteln. Ohne medizinische Notwendigkeit Antidepressiva, Psychostimulanzien oder Antidementiva zu schlucken sei extrem gefährlich. Bei gesunden Menschen könne sich die medizinisch unkontrollierte Einnahme von solchen Mitteln fatal auswirken. Von Herzrasen über Nervosität und Schlaflosigkeit bis hin zu Herzrhythmusstörungen und Leberfunktionsstörungen könnten dadurch auftreten. Weiterhin, so die Arbeitsmediziner, seien viele dieser Medikamente häufig nur kurzfristig wirksam und würden nur geringe Effekte bewirken.
Doch warum steigt die Zuflucht auf Dopingmittel am Arbeitsplatz so kontinuierlich an? Betriebsärzte beantworten diese Frage häufig mit der Erkenntnis, dass sowohl die wachsende Tendenz zur permanenten Verfügbarkeit von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz als auch die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes dazu führen. Die zitierte DAK-Studie geht noch einen Schritt weiter: Erwerbstätige, die fürchten, dass sie nach einer Kündigung keine neue adäquate Anstellung erhalten, dopen noch weitaus häufiger als andere Arbeitnehmer. Doping am Arbeitsplatz betrifft im Übrigen nahezu alle Berufssparten und ist sowohl in der Industrie als auch bei Gewerbetreibenden und Dienstleistern ein vielbeobachtes Phänomen.
Ein ernst zu nehmender Kritikpunkt der Arbeitsmedizin ist die leichte Beschaffung von Aufputschmitteln und ähnlichen Substanzen. Einem Hausarzt oder auch einem Psychiater ein Rezept für Psychopharmaka zu entlocken, sei für viele Menschen eine Kleinigkeit. Einem Patienten lediglich ein Rezept überreichen zu müssen, bedeutet an manchen Tagen einen Patienten weniger im vollen Wartezimmer zu haben. Und wer den Weg zur Arztpraxis scheut, hat es auf dem Schwarzmarkt nicht schwer, sich die entsprechenden Medikamente zu besorgen. Das Internet ist dahingehend sehr mitteilsam.
Autor: Karl-Hermann Leukert