G 35 – die Vorsorgeuntersuchung für das Ausland
Eine Besonderheit bei den gesetzlich vorgeschriebenen betrieblichen Vorsorgeuntersuchungen bildet die G 35, eine spezielle Vorsorge für berufsbedingte Aufenthalte in bestimmten, nicht ungefährlichen Regionen dieser Welt. Der Arbeitgeber trägt hier eine besondere Verantwortung. Doch was gilt es dabei zu beachten?
Jede arbeitsmedizinische Untersuchung ist anders, was logisch ist, weil Berufsumfelder auch unterschiedlich sind. In der Struktur ähneln sie sich aber alle. Eine „G-Untersuchung“ ist allerdings ganz anders als alle anderen. Sie darf sogar, ohne Übertreibung, als exotisch bezeichnet werden. Es handelt sich um die Untersuchung G 35. Dahinter verbirgt sich die vorgeschriebene Untersuchung bei einem „Arbeitsaufenthalt im Ausland unter besonderen klimatischen oder gesundheitlichen Belastungen“. DOKTUS hat einen ganz bestimmten Grund, gerade jetzt auf die G 35 hinzuweisen.
Zahl der Beschäftigten in Auslandsbetrieben steigt wieder
Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren ihre Geschäftsfelder ins Ausland ausgedehnt, sei es für den Vertrieb, um neue Märkte zu erschließen oder um von günstigeren Produktionsbedingungen zu profitieren. Mit Beginn der Pandemie wurden viele im Ausland arbeitende Beschäftigte wieder zurück nach Deutschland geholt. Da die meisten Länder inzwischen ihre Restriktionen bei der Einreise eingestellt haben, werden sich in den nächsten Wochen auch wieder viele Deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ins Flugzeug setzen, um ihren Arbeitsplatz fern der Heimat wieder einzunehmen. Manche Stellen müssen auch wieder neu besetzt werden. Wenn die aber in einer völlig anderen Klimazone liegen, hat der Betriebsarzt vor dem Abflug ein wichtiges Wort mitzureden.
Die „Tropenuntersuchung“ meint nicht nur die Tropen
Umgangssprachlich wird die G 35 auch als „Tropenuntersuchung“ bezeichnet. Tatsächlich wird die Untersuchung bei allen fällig, die in eine völlig andere Klimazone reisen. So müssen sich auch Mitarbeiter des Alfred-Wegener-Instituts der G35 unterziehen, die auf die Neumayer-Station III in die Antarktis geschickt werden. Doch auch Unternehmen, die in subtropischen Regionen wie dem Nahen oder Mittleren Osten tätig sind, müssen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untersuchen lassen, ehe sie dort ihre Tätigkeit aufnehmen.
Wo die Unterschiede liegen
Schon die Voraussetzung für die Untersuchung nach G35 ist anders, als bei allen anderen arbeitsmedizinischen Untersuchungen. Bevor sie überhaupt beginnt, muss die/der Beschäftigte vorab schon eine ärztliche Beratung nachweisen – von einem dazu ermächtigten Arzt, der alles über die Region des Einsatzortes weiß: Wie die klimatischen Bedingungen sind, wo die gesundheitlichen Risiken und Belastungen liegen und wie die allgemeine Gesundheitsversorgung vor Ort aussieht. Wird die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer tatsächlich in den Tropen eingesetzt, beinhaltet das Gespräch auch Informationen über die notwendige Malaria-Prophylaxe (in der Regel in Tablettenform) und eventuell erforderlichen Impfungen. Erst wenn dieses Gespräch geführt und dokumentiert wurde, kann die eigentliche Untersuchung beginnen.
Betriebsarzt muss speziell qualifiziert sein
Da die Tropenmedizin nicht zur routinemäßigen Kernkompetenz von Arbeitsmedizinern gehört, wird der Betriebsarzt den zu Untersuchenden in der Regel an einen Tropenmediziner überweisen. Allerdings können sich Arbeitsmediziner und Betriebsärzte auch einschlägig fortbilden, was dann sinnvoll wäre, wenn ein Unternehmen viele deutsche Mitarbeitende in Auslandseinsätze schickt. Die Hürden sind allerdings hoch und mit einem einfachen Fortbildungskurs für Reise- und Tropenmedizin noch nicht überwunden. So müssen solche Mediziner mindesten 50 Tropenmedizinische Untersuchungen nachweisen können und außerdem selbst mindestens 14 Tage als Ärztin/Arzt in den Tropen gearbeitet haben, ehe sie die G 35 offiziell durchführen dürfen.
Weitere Untersuchung nach der Rückkehr
Doch damit ist es noch nicht getan. Auch nach der Rückkehr aus dem Einsatzort, steht noch eine weitere Untersuchung an. Mit der soll festgestellt werden, ob die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer nicht ein ungewolltes „Souvenir“ wie Flöhe, Läuse oder Wanzen aus fernen Landen mitgebracht hat. Auch diese Untersuchung obliegt natürlich einem Spezialisten. Die Untersuchung gleicht der Erstuntersuchung mit dem Unterschied, dass dieses Mal auch noch nach möglichen Parasiten gesucht wird.
Die Fristen bei Untersuchungen
Wer länger als drei Monate pro Jahr im Ausland arbeitet, für den ist eine Erstuntersuchung verpflichtend. Danach wäre die G35-Untersuchung nicht mehr nötig. Liegt allerdings mehr als ein Jahr zwischen den beiden Auslandsaufenthalten, dann wird wieder eine Untersuchung fällig. DOKTUS weist darauf hin, dass genau das bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nun der Fall sein kann, wenn sie möglicherweise ihre Stelle in einem Tropenparadies nach längerer Pause wieder antreten. Manch einer wird es gar nicht mehr auf dem Schirm haben, dass für ihn nach einer zweijährigen Unterbrechung wieder eine Untersuchung fällig wird.
Nachuntersuchung nicht vergessen
Und da wäre da auch noch die Nachuntersuchung, die alle Rückkehrer betrifft, die länger als ein Jahr im Ausland gearbeitet und ihre Tätigkeit beendet haben. Diese Untersuchung ist in der Regel so bald wie möglich fällig, sollte aber spätestens acht Wochen nach der Heimkehr abgeschlossen sein. Darüber hinaus gibt es dann auch noch eine dritte Untersuchung, zwei bis drei Jahre nach dem Ende des Auslandsaufenthalts.
Peter S. KasparNachtrag:
Die G-Grundsätze sind Handlungsanleitungen für Betriebsärzte. Sie dienen als Leitlinien, sind jedoch keine staatlichen Rechtsvorschriften, sind also für die Betriebsärzte nicht verbindlich. Sie sollen jedoch sicherstellen, dass die arbeitsmedizinischen (d.h. auch körperlichen und klinischen) Untersuchungen einheitlich durchgeführt werden und die medizinischen Befunde nach einheitlichen qualitätsgesicherten Kriterien erfasst, beurteilt und ausgewertet werden. Umgekehrt sind jedoch alle Vorsorgeuntersuchungem, die sich aus den speziellen Arbeitsbedingungen und der vorgeschriebenen betrieblichen Gefährdungsbeurteilung ergeben, für den Arbeitgeber verpflichtend. Zu Ihrer Durchführung muss er Ärzte hinzuziehen, die über eine entsprechende Qualifikation verfügen.