Arbeitgeber muss nicht für Impfschäden haften
Selbst die sichersten und zuverlässigsten Impfungen bergen ein geringes Restrisiko. Mögliche Impfschäden könne nie ganz ausgeschlossen werden. Wer haftet, wenn doch mal etwas passiert? Entsprechend dem Verursacherprinzip eigentlich der Arzt. Doch der kann mögliche juristische Folgen abwenden, indem er den Patienten genau über die möglichen Folgen einer Impfung aufklärt. Doch wie sieht es mit einer Impfung aus, die vom Arbeitgeber angeboten und vom Betriebsarzt verabreicht wurde? Der Fall ereignete sich rund zehn Jahre vor dem Ausbruch von Covid 19. Doch durch die Pandemie hatte das höchstrichterliche Urteil von 2017 plötzlich eine völlig ungeahnte Aktualität erhalten. Vor einem Winter, für den viele schon die „Twindemie“ befürchten, also eine Grippeepidemie gepaart mit der Corona-Pandemie, wird das Thema noch wesentlich akuter.
Jede Menge Arbeit für Betriebsärztinnen und Betriebsärzte
Die Impferfolge im Zuge der Corona-Krise wären ohne den Einsatz von Betriebsärztinnen und Betriebsärzten kaum denkbar gewesen. Auch die Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner von DOKTUS waren damals im Dauereinsatz. Und auch jetzt gibt es wieder jede Menge für sie zu tun. Der Feind heißt dieses Mal allerdings nicht nur Coronavirus sondern auch Grippeerreger – obwohl man bis zur Stunde noch nicht einmal genau weiß, mit welchem Stamm der Grippeviren man es in dieser Saison zu tun hat. Trotzdem raten die Fachleute von DOKTUS auch in diesem Jahr zu einer frühzeitigen Impfung gegen die Influenza.
Juristische Folgen einer Grippeschutzimpfung
Vor rund zehn Jahren bot ein Arbeitgeber seiner Belegschaft eine Grippeschutzimpfung an. Sie sollte vom Betriebsarzt durchgeführt werden. Eine Mitarbeiterin, die dieses Angebot angenommen hatte, machte später einen Impfschaden geltend und versuchte dafür den Arbeitgeber in Haftung zu nehmen. Kern ihrer Argumentation war, dass sie vom Arbeitgeber nicht hinreichend über die möglichen Risiken aufgeklärt worden sei. Hätte sie um die möglichen Folgen gewusst, hätte sie auf die Impfung verzichtet, gab sie vor Gericht an. Der Fall zog sich über alle Instanzen hin und landete schließlich beim 8. Senat des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) in Erfurt. Die Klägerin war in allen Vorinstanzen abgewiesen worden. Auch die höchsten Arbeitsrichter konnten der Frau nicht Recht geben. Dem Arbeitgeber sei in diesem Fall kein Vorwurf zu machen. BAG, Urteil v. 21.12.2017, 8 AZR 853/16.
Entscheidend ist der Behandlungsvertrag
Obwohl das Urteil in jeder Instanz eindeutig war, lohnt ein Blick ins Detail. Der entscheidende Punkt ist, dass es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin keinen Behandlungsvertrag gab. Das scheint auf den ersten Blick auch logisch. In aller Regel sind Arbeitgeber keine Mediziner. Doch selbst wenn der Arbeitgeber eine medizinische Ausbildung hätte, würde der Behandlungsvertrag mit dem behandelnden Arzt und nicht mit dem Betrieb geschlossen, zu dem die Arbeitnehmerin gehört. Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sind dagegen meistens freiberuflich tätig. Sie werden von den Unternehmen in der Regel nur benannt und erhalten ein Honorar für ihre Aufwendungen. Damit obliegt ihnen auch die Pflicht, die Patientin oder den Patienten über die möglichen Risiken einer Impfung ordnungsgemäß aufzuklären.
Keine Regel ohne Ausnahmen
Es gibt allerdings auch Firmen, in denen Betriebsärztinnen und Betriebsärzte fest angestellt sind. Hier könnte der Fall möglicherweise anders bewertet werden. Unternehmen, die auf Nummer sicher gehen wollen, sollten also darauf achten, dass für Impfungen außenstehende Betriebsärzte verpflichtet werden, die dann auch zu den Impfterminen einladen. Zudem ist es ratsam, bei Impfangeboten stets darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um verpflichtende Maßnahmen des Unternehmens handelt, sondern dass eine Teilnahme für jeden Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin natürlich rein freiwillig ist.
Impfen ist grundsätzlich eine gute Idee
Auch wenn es in diesem Einzelfall zu einem langwierigen juristischen Nachspiel gekommen ist, kann DOKTUS nur jede Arbeitgeberin und jeden Arbeitgeber dazu ermutigen, den Beschäftigten die Möglichkeit für eine betriebsärztliche Impfung, sei es gegen Grippe, sei es gegen Corona, zu eröffnen. Der betriebswirtschaftliche Schaden, zu dem ein längerfristiger Ausfall eines Teils der Belegschaft führen kann, kann die Kosten einer betriebsinternen Impfkampagne um ein Vielfaches überschreiten. Darüberhinaus sind Impfkomplikationen gerade bei Grippeschutzimpfungen extrem selten.
Peter S. Kaspar