Was Künstliche Intelligenz mit Arbeitsschutz zu tun hat
Wird der Betriebsarzt in Zukunft durch einen Roboter ersetzt? Überlassen Unternehmen die Gefährdungsbeurteilung künftig einem Elektronengehirn? Stehen Betriebe durch autonome lernfähige System vor unkalkulierbaren Risiken? Durch die Software ChatGPT ist das Thema künstliche Intelligenz nun auch in einer breiteren Öffentlichkeit angekommen. Seit einigen Wochen wird heftig über das Thema diskutiert. Doch welche Auswirkungen hat die KI auf das Arbeitsleben – und was bedeutet sie ganz speziell für den Arbeitsschutz? DOKTUS versucht ein paar Antworten zu geben.
Die Angst vor autonomen Systemen
Die KI befeuert eine Urangst: Die Angst vor dem Kontrollverlust. Die Furcht ist nicht unberechtigt, dass autonome Systeme die Kontrolle übernehmen, ohne dass der Mensch eingreifen kann. Ein Beispiel: 2018 und 2019 stürzten zwei nagelneue Boeing 737 MAX in Indonesien und Äthiopien ab. Ein neuinstalliertes System namens MCAS verhinderte notwendige Kurskorrekturen der Piloten und brachte die Maschinen zum Absturz. Die hochentwickelte Software hatte selbstständig agiert. Trotzdem ist MCAS kein KI-System, denn es ist nicht lernfähig.
Was KI-Systeme sind – und vor allem wie gefährlich sie sind, hat die EU in ihrem AI Act von 2021 definiert. Hier wird unterschieden in KI-Systemen mit unkalkulierbaren Risiko, in Hochsicherheits-KI, KI mit einem mittleren Risiko und KI-Systemen mit geringem Risiko. Darauf bezieht sich auch der jüngste Arbeitsschutzbericht der Bundesregierung, der im Dezember veröffentlicht wurde. In dem 362 Seiten starken Papier werden dem Thema KI und Arbeitsschutz dreieinhalb Seiten gewidmet.
Risiken und Chancen der KI
Auch wenn der Abschnitt, verglichen mit dem Gesamtumfang des Berichtes, eher kurz ausfällt, so ist aus den Zeilen durchaus eine gewisse Skepsis herauszulesen. Da wird zum Beispiel eine neuen Maschinenverordnung angemahnt. So heißt es in dem Text: „Das volle Potential von KI in der Maschinen- und Anlagentechnik wird sich daher nur entfalten können, wenn sie sicher und gesundheitsgerecht ausgelegt und gestaltet ist und in der Folge auch sicher genutzt wird.“ Doch es bleibt nicht nur bei der Betrachtung über die maschinelle Betriebssicherheit. Es geht auch um die „soziotechnische Systemgestaltung“. Im Klartext bedeutet das: Was macht eine KI mit dem Mitarbeiter? Bislang ist es in der Arbeitswelt in der Regel so, dass der Mensch die Maschine überwacht, beziehungsweise steuert. Durch die KI kann sich das massiv ändern. Das kann durchaus psychische Auswirkungen auf Mitarbeiter haben, die beim Einsatz von KI-Systemen bedacht werden müssen. Die mentale Gesundheit der Belegschaft ist ein Problem, mit dem sich die Betriebsmedizin in den letzten Jahren massiv auseinander gesetzt hat. Mit einem flächenmäßigen Einsatz von KI kann das noch einmal völlig neue Dimensionen erreichen. Dabei geht es nicht einmal nur darum, inwieweit KI-Systeme den Menschen ersetzen, sondern wie stark sie ihn kontrollieren. Allerdings sieht der Bericht der Bundesregierung auch unbestreitbare Chancen beim Arbeitsschutz. Konkret nennt der Bericht Gefährdungsbeurteilungen und Gesundheitsförderung. Ein ganz besonderes Augenmerk liegt auf der Inklusion. Da fördert das Bundesarbeitsministerium das Projekt KI.ASSIST, dabei geht es um „Assistenzdienste und Künstliche Intelligenz für Menschen mit Schwerbehinderung in der beruflichen Rehabilitation“.
Keine Chance für den künstlichen Betriebsarzt
Und wie steht es nun um den künstlichen Betriebsarzt? Den wird es in absehbarer Zeit sicherlich nicht geben. Sicherlich können KI-Systeme die ein oder andere Aufgabe übernehmen. Doch in ganz zentralen Dingen, wo es um die persönliche Ansprache und Beurteilung geht, ist eine Betriebsärztin oder ein Betriebsarzt unerlässlich und wird es sicher auch noch lange bleiben. Empathie und Emotionen sind Größen, die einer Künstlichen Intelligenz fremd sind. Krankheitsbilder wie Depressionen oder Burn-Out sind für solche Systeme nicht fassbar, doch gerade sie spielen in der heutigen Arbeitswelt eine große Rolle, die durch die vermehrte Anwendung von KI eher wachsen als geringer werden wird.
Was heißt das für die Zukunft?
Dass sich immer mehr Unternehmen für den Einsatz künstlicher und lernfähiger Systeme entscheiden werden, ist unvermeidlich. Gleichzeitig liegt aber noch sehr viel Forschungsarbeit vor den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, um Gefahren und Vorteile seriös bewerten zu können. DOKTUS empfiehlt daher jedem Unternehmen, das sich mit der Einführung solcher neuer Technologien beschäftigt, auch die Auswirkung auf ihre Beschäftigten im Auge zu behalten.
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Peter S. Kaspar