Alkohol am Arbeitsplatz – ein heikles Thema
Arbeit und Alkohol sollten sich eigentlich ausschließen. Doch der Gesetzgeber lässt den Arbeitgebern viel Spiel bei der Auslegung, was als Gefährdung durch Alkohol am Arbeitsplatz anzusehen ist. Darauf müssen Unternehmer achten …
Neben Hammer und Kelle gehörte bis vor wenigen Jahrzehnten zum Öffentlichkeitsbild des Bauarbeiters auch die Flasche Bier. Auch in Betriebskantinen war eine Weinschorle oder ein kleines Bier zur Begleitung des Mittagessens durchaus üblich. Und das Feierabendbier, im Kreise der Kollegen genossen, ist ja fast sprichwörtlich. Nach ausschweifenden Betriebsfeiern ist der „Pegelstand“ des ein oder anderen Mitarbeiters noch tagelang Gesprächsthema.
Kein generelles Alkoholverbot an vielen Arbeitsplätzen
Alkohol ist in der Gesellschaft nach wie vor weitgehend akzeptiert, und so kennt das deutsche Arbeitsrecht auch kein generelles Alkoholverbot am Arbeitsplatz. Nur für wenige Berufe gilt eine absolute 0,0-Promille-Grenze. Für Verkehrspiloten gilt die 0,0-Promille-Grenze sogar schon 24 Stunden vor dem Abflug. Auch Bus- und Taxifahrer dürfen nur absolut nüchtern fahren. Bei anderen Berufsgruppen sieht man das nicht so eng. Manches Unternehme lässt bei Alkohol im Betrieb auch schon mal alle Fünfe grade sein. Trotzdem rät DOKTUS Arbeitgebern und Arbeitnehmern, bei diesem Thema besonders große Vorsicht walten zu lassen. Auch wenn Alkoholgenuss am Arbeitsplatz unmittelbar keine arbeitsrechtlichen Folgen hat, so können daraus versicherungstechnisch sehr verzwickte Situationen entstehen.
Was heißt hier angetrunken?
Dass niemand in angetrunkenem Zustand seiner Arbeit nachgehen sollte, scheint eigentlich logisch. Allerdings ist das Wort „angetrunken“ ein durchaus dehnbarer Begriff. Während vielleicht die junge Mitarbeiterin aus der Lohnbuchhaltung nach einem halben Glas Sekt bei Betriebsfest schon einen leicht beschwipsten Eindruck hinterlässt, bemerkt vielleicht niemand, dass der in Ehren ergraute Kollege aus der Registratur jeden Tag eine halbe Flasche Wodka während der Arbeitszeit leert. Daher gibt es eine ziemlich einfache Regelung: Was angetrunken bedeutet, entscheidet alleine der Chef. Wenn dieser der Meinung ist, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter auf Grund von Alkoholeinfluss die Arbeit nicht mehr korrekt verrichten kann, dann kann ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten sofort vom Arbeitsplatz entfernen. Kommt es allerdings infolge dessen zu einer Abmahnung oder gar Kündigung, muss der Arbeitgeber beweisen können, dass der betroffene Arbeitnehmer tatsächlich betrunken war.
Bei der Haftungsfrage wird es knifflig
Bei jedem fünften Arbeitsunfall in Deutschland ist Alkohol im Spiel. Da drängt sich die Frage auf, ob die Versicherung in diesem Fall bezahlt. Das tut sie unter zwei Voraussetzungen: Der betroffene Mitarbeiter war durch den Alkoholgenuss nur „leistungsgemindert“, also keinesfalls volltrunken und der Alkohol darf nicht der alleinige oder der maßgebliche Grund für den Unfall gewesen sein. Untersucht wird, ob das Verhalten „grob fahrlässig“ war. Schon hier ergeben sich gegebenenfalls sehr große Interpretationsspielräume. In den seltensten Fällen nutzen die einem Arbeitnehmer. Trotzdem gibt es für ihn manchmal die Chance, einigermaßen unbeschadet aus solch einer schlimmen Situation heraus zu kommen. Denn es ist durchaus auch möglich, dass die Haftungsfrage am Arbeitgeber hängen bleibt. Denn dieser trägt die Fürsorgepflicht für seinen Angestellten. Das bedeutet, wenn der Arbeitgeber gewusst hat, dass sein Mitarbeiter unter Alkoholeinfluss gearbeitet hat, als sich der Unfall ereignete, dann trifft die Haftung plötzlich den Chef, der die Fürsorgepflicht für seinen Mitarbeiter vernachlässigt hat. Der hätte den Mitarbeiter nicht nur an der weiteren Arbeit hindern sollen, sondern auch dafür Sorge tragen, dass er möglichst unbeschadet nach Hause kommt. Das heißt, er müsste möglicherweise noch eine Begleitperson mit schicken, um einen Unfall auf dem Nachhauseweg zu vermeiden. Wenn es allerdings schon zu solch drastischen Maßnahmen kommen sollte, muss der alkoholisierte Mitarbeiter die Kosten dafür übernehmen. Auch die ausgefallene Arbeitszeit wird natürlich nicht vergütet.
Arbeitgeber und Alkohol
Es kann also durchaus sein, dass gerade tolerante Arbeitgeber durch den Alkoholmissbrauch eines einzelnen Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin buchstäblich in Teufels Küche kommen. Dem lässt sich übrigens sehr leicht begegnen. Ein generelles Alkoholverbot auf dem Betriebsgelände oder während den Arbeitszeiten kann in einer Betriebsvereinbarung verankert werden. Allerdings gibt es Unternehmen, die genau das nicht wollen, weil eine Verbotskultur schädlich für das Betriebsklima wäre. Was also tun?
Der Betriebsarzt kann helfen
DOKTUS rät, dass in einem solchen Fall der Betriebsarzt zum Einsatz kommen sollte. Er hat zum Beispiel die Möglichkeit, eine breite Informationsoffensive zum Thema Alkohol am Arbeitsplatz zu organisieren. Die kann über Broschüren, Flyer oder auch über Vorträge gesteuert werden. Außerdem hat der Betriebsarzt auch die Möglichkeit, mit betroffenen Personen Einzelgespräche zu führen und Hilfe anzubieten. Zudem kann er auch Führungskräfte für das Thema sensibilisieren, in dem er zum Beispiel Workshops und Seminare anbietet. Mit einer intelligenten und gut durchdachten Strategie ist es also nicht einmal notwendig, das Unternehmen zur alkoholfreien Zone zu machen.
Peter S. Kaspar