Arbeitsschutz: Im Zweifel haftet der Arbeitgeber
Ob im Büro oder beim Dachdecker – Arbeitgeber müssen für die notwendige Sicherheit ihrer Mitarbeiter am Arbeitsplatz sorgen. Kommen Arbeitnehmer durch mangelnden Arbeitsschutz oder fehlende Sicherheitsstandards zu Schaden, haftet der Arbeitgeber. Besonders drastisch fallen die Strafen bei vorsätzlich missachteten oder herbeigeführten Gefahren aus.
100.000 Euro Strafe, sechs Monate Gefängnis auf Bewährung – so lautete das Urteil gegen die Geschäftsführer (Az.: 10 KLs 16/13) eines westdeutschen Unternehmens, in deren Betrieb im Jahr 2013 ein Auszubildender ums Leben kam. Das Landgericht Osnabrück sah im Tod des jungen Mannes weniger einen tragischen Unfall, als das Resultat fragwürdiger Geschäftspraktiken des Unternehmens.
Der im Emsland ansässige Betrieb veredelt Glas für den Gebäude- und Schiffsbau. Dabei kommen spezielle Schleifmaschinen zum Einsatz. Zum Schutz des Bedienungspersonals, sind Lichtschranken an den Maschinen installiert. Diese sollen die Maschine abschalten, sobald sich eine Person zu dicht am Gefahrengebiet aufhält.
Das Problem dabei: Das An- und Abschalten der Maschine, macht das zu behandelnde Glaselement unbrauchbar; kostet also Zeit und Geld – zu viel Zeit und zu viel Geld, befanden die verurteilten Geschäftsführer und ließen die Sicherheitsvorkehrung kurzerhand entfernen.
Diese Maßnahme wurde dem Azubi zum Verhängnis. Denn: Wäre die Lichtschranke noch intakt gewesen, wäre der Unfall mit Sicherheit verhindert worden, erkannte das LG Osnabrück. So aber wurden der Oberkörper des Mannes erfasst und gequetscht – er starb am folgenden Tag im Krankenhaus an seinen schweren Kopfverletzungen.
Geld- und Haftstrafen für Geschäftsführer und deren Mitarbeiter
Die Geschäftsführer wurden nun für die Anordnung der folgenschweren Demontage verurteilt. Das Gericht erkannte in ihrem Handeln eine fahrlässige Tötung, sah aber von einer einjährigen Haftstrafe, dem Höchstmaß für ein solches Vergehen, ab.
Neben den Geschäftsführern wurde der für die Instandsetzung zuständige Mitarbeiter, der die Lichtschranke ausbaute, verurteilt. Das Gericht legte ihm eine Strafzahlung von 3.600€ auf.
Weniger glimpflich fiel das Urteil gegen einen Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamtes aus: Er hatte versucht, die Ursachen des Unfalls zu vertuschen, damit “seine Dienstausübung quasi pervertiert” und zahlte für diese Falschaussage 9000 Euro.
Das Gericht zeigte sich erschüttert, über die Fahrlässigkeit und stillschweigende Billigung, mit der die Geschäftsführer die Gefährdung ihrer Mitarbeiter in Kauf nahmen. Daher das hohe Strafmaß. Aber: Auch für Arbeitsunfälle, bei denen Vorgesetzte nicht direkt für das Verunfallen ihrer Mitarbeiter verantwortlich sind, können diese verurteilt werden. Etwa, wenn der Betrieb die Mitarbeiter nicht adäquat über mögliche Gefahren informierte, keine Gefährdungsbeurteilung im Unternehmen erfolgte oder bekannte Sicherheitsmängel nicht entschärft wurden.
Arbeitsschutz und Gefährdungsbeurteilung regeln die Pflichten von Unternehmen
Die Pflichten von Unternehmen über einen adäquaten Arbeitsschutz in ihrem Betrieb, umfasst eine umfangreiche Gefahreneinschätzung, Bereitstellung von Informationen sowie die Schulung von Mitarbeitern und Führungskräften. Das Arbeitsschutzgesetz bietet, neben zahlreichen Verordnungen für einzelne Branchen, eine detaillierte Grundlage, nach denen sich Betriebe richten können – und müssen.
Zur Gefahreneinschätzung dient seit 1996 die Richtlinie zur Gefährdungsbeurteilung. Gefahren werden hierbei präventiv erkannt und behoben. Unternehmen können für die Gefährdungsbeurteilung eine Vielzahl von frei verfügbaren Checklisten nutzen, oder auf die Expertise von Fachleuten und Betriebsärzten zurückgreifen.
Ein einmaliger Check schützt vor Verurteilung aber nicht: Gefährdungsbeurteilungen sollten regelmäßig wiederholt und vor allem detailliert dokumentiert werden. Nur so sind Unternehmen im Unglücksfall auf der sicheren Seite.