Burn Out – Modeerscheinung oder Krankheit?

burnout

Zwischen 30 und 40 Prozent aller Krankschreibungen gehen, je nach Branche, auf psychische Erkrankungen zurück. Weit oben auf der Liste stehen dabei das Burn-Out-Syndrom und die Depression. Obwohl der volkwirtschaftliche Schaden, den allein die Diagnose „Burn Out“ verursacht, in die Milliarden geht, wird darüber verhältnismäßig wenig geforscht. Das ist vielleicht ein Grund, warum noch immer viele Menschen Burn-Out und Depression gleichsetzen obwohl die Symptome – zumindest anfangs – nicht unterschiedlicher sein könnten. Nach wie vor gibt es auch die Meinung, dass sich hinter einem vermeintlichen Burn-Out in Wirklichkeit nur eine „normale“ Depression verberge. Der Grund: Burn-Out verkaufe sich einfach besser als Depression, die in der Gesellschaft noch immer mit Schwäche verbunden wird. Burn-Out dagegen suggeriere dagegen Stärke, die durch Überforderung verloren geht. Gibt es also gar kein Burn-Out? Und wenn doch, was ist der Unterschied zu Depression? DOKTUS begibt sich auf Spurensuche.

Ist Burn-Out eine Krankheit?

Die überraschende Antwort lautet: nein. Burn-Out wird in der Internationalen Klassifikation von Krankheiten (IDC) nicht als Krankheit, sondern als „Faktor, der den Gesundheitszustand beeinflusst“, geführt. Bei der IDC-Revision 2022 wurde der Status von Burn-Out zwar etwas verändert, doch als Krankheit wird das „Ausgebranntsein“ noch immer nicht bezeichnet. Das ist insofern erstaunlich, als dass einer der Väter der Burn-Out-Forschung, der deutsch-amerikanische Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger (1926 – 1999), schon 1974 das Syndrom und seine 12 Stadien mit ihren Symptomen beschrieben hat. In der IDC-Definition von Burn-Out wird darauf hingewiesen, dass es ausschließlich im beruflichen Umfeld verwendet werden kann. Das bedeutet konkret, dass Burn-Out immer mit dem Beruf verbunden ist. Das führt zu einer etwas kuriosen Situation. Beispielsweise ein Banker, der gleichzeitig einen großen Verein als Präsident leitet, kann nur in seiner Eigenschaft als Banker an Burn-Out erkranken, nicht aber in seiner Eigenschaft als ehrenamtlicher Präsident.

Woran erkennt man das Burn-Out-Syndrom?

Damit liegt auf der Hand, dass Betriebsärztinnen und Betriebsärzten eine ganz besondere Verantwortung zukommt, Burn-Out-Situationen rechtzeitig zu erkennen. Herbert Freudenberger und seine Kollegin Gail North identifizierten zwölf Phasen des Burn-Out-Syndroms, die nicht zwangsläufig in dieser Reinfolge auftreten müssen. Es beginnt mit dem Drang, sich selbst und anderen etwas beweisen zu müssen, was im zweiten Schritt zu einem extremen Leistungsstreben führt, was Überarbeitung zur Folge hat, die von Vernachlässigung von sozialen Kontakten und persönlichen Bedürfnissen begleitet wird. Diese Probleme werden nun zunehmend überspielt. Dinge, die einem persönlich wichtig waren, zum Beispiel Hobbys, werden in Frage gestellt. In der inzwischen sechsten Phase sinkt die Toleranzgrenze und entstandene Probleme werden einfach geleugnet. In der Folge reduziert der Patient oder die Patientin soziale Kontakte bis auf das unbedingt Notwendige. Jetzt treten auch Verhaltensänderungen ein, die häufig von Angststörungen begleitet sind. Es folgt eine Depersonalisierung, die sich nach außen hin oft in zynischem Verhalten gegenüber Kollegen, Kunden oder betreuten Personen äußert. In der zehnten Phase kommt es zu einem Gefühl der inneren Leere, im sozialen Umgang zeigen sich Überreaktionen, was mit Alkohol, anderen Drogen, verändertem Essverhalten oder übersteigerter Sexualität kompensiert werden soll. Erst in der elften Phase gleichen die Symptome einer klassischen Depression: Hoffnungslosigkeit, Gleichgültigkeit, Erschöpfungszustände und Perspektivlosigkeit. In der letzten Phase folgen Suizid-Gedanken oder ein völliger mentaler Zusammenbruch.

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Worin unterscheiden sich Burn-Out und Depression?

In den frühen Phasen eines Burn-Outs könnten die Unterschiede zu einer Depression kaum größer sein. Während depressive Patienten durch Schwermut und Antriebslosigkeit gekennzeichnet sind, sind Burn-Out-Kandidaten anfangs hyperaktiv. Ihr Drang zur Arbeit und zur Perfektion lässt sich argumentativ nicht zügeln. Sie arbeiten buchstäblich bis zur Erschöpfung oder zum Zusammenbruch. Dazu sind Patienten, die an Depressionen leiden überhaupt nicht fähig. Auch die Medikation ist in dieser Phase eine völlig andere. Anti-Depressiva würden den Drang, etwas leisten zu müssen, ja nur verstärken. Wenn ein Burn-Out-Syndrom in diesen Phasen überhaupt medikamentös behandelt werden kann – was ohne die Mitarbeit der Patienten schlecht möglich ist – würde der behandelnde Arzt vielleicht eher Tranquilizer verschreiben. Tatsächlich gibt es aber Parallelen zur Depression, die immer deutlicher werden, je mehr sich das Burn-Out-Syndrom ausbreitet. Am Ende mündet es aber fast unweigerlich in eine klassische Depression.

Der Streit in der Fachwelt

Dass am Ende die klassische Depression steht, mag auch ein Grund für den Streit in der Fachwelt sein. Es ist schon ein wenig kurios, dass das Burn-Out-Syndrom noch immer nicht als Krankheit geführt wird, aber im realen Leben wie eine behandelt wird. Es gibt eine eigene Diagnostik, es gibt eine spezifische Behandlung, es gibt wissenschaftliche Auswertungen über den volkswirtschaftlichen Schaden und nicht zuletzt wird Burn-Out auch als Grund für eine Arbeitsunfähigkeit allenthalben anerkannt. Seit 2006 ist das Burn-Out-Syndrom sogar Gegenstand der betrieblichen Gefahrenbeurteilung. Warum also der Zwist in der Wissenschaft? Eine Erklärung mag die Akzeptanz in der Gesellschaft sein. Die Depression ist in Teilen der Gesellschaft noch immer mit dem Makel der Schwäche behaftet. Burn-Out dagegen wird als Folge eines übertriebenen Leistungswillen angesehen. Wer an Burn-Out leidet gilt sozusagen als gefallener Held. So gibt es Psychiater, die Burn-Out für eine „Modediagnose“ halten, die den wahren Blick auf das Krankheitsbild der Depression verstellen könnte. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt allerdings, dass sich die Beurteilung des Burn-Out-Syndroms immer mehr in Richtung einer eigenständigen Krankheit entwickelt. Ob es dazu kommt, werden allerdings erst weitere Forschungsergebnisse zeigen.

Peter S. Kaspar

Bildquelle: Fotolia

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