Corona und die juristischen Folgen
Gefühlt scheint die Coronapandemie vorbei. Zwar erkranken noch immer Menschen an Covid, doch die Zeiten von Quarantäne und Lock-Down sind vorbei. Juristisch gesehen ist Corona dagegen noch längst kein Fall für die Archive. Gerade im Arbeitsrecht hat Corona durchaus seine Spuren hinterlassen, Spuren, die bis nach Erfurt vor das höchste deutsche Arbeitsgericht führen. Dort laufen nun all die Klagen auf, die Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte nicht endgültig entscheiden konnten, weil eine der Parteien den Weg in die nächste Instanz gesucht hat. Im Jahr 2024 hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt unter anderem zwei Fälle behandelt, die durchaus maßbeglichen Einfluss auf die weitere Rechtsprechung in Sachen Arbeit und Corona haben könnten. In beiden Fällen spielt die Quarantäne eine Rolle.
Lohnfortzahlung auch im Quarantänefall
Der Mitarbeiter einer Kunststoff-Firma in Nordrhein-Westfalen erkrankte im Dezember 2021 an Covid. Am 26. Dezember wurde er mit leichten Symptomen positiv getestet. Sein Hausarzt schrieb ihn bis zum 31. Dezember krank. Eigentlich fühlte sich der Mann wieder gesund und wollte im neuen Jahr auch wieder zur Arbeit gehen. Doch dann flatterte ihm eine Verfügung des Gesundheitsamtes ins Haus, das ihm eine häusliche Quarantäne bis zum 12. Januar auferlegte. Als er sich vom Arzt eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit holen wollte, erlebte er eine böse Überraschung. Aus der Sicht des Arztes war er sehr wohl arbeitsfähig, die Corona-Symptome waren vorbei. Er weigerte sich ein Attest auszustellen und verwies auf die Verfügung der Gesundheitsbehörde. Das müsste als Grundlage für eine Lohnfortzahlung reichen. Doch es reichte eben nicht. Der Arbeitgeber behielt über 1000 Euro des Lohnes ein und begründete das mit dem Impfstatus seines Mitarbeiters. Durch eine Impfung, der sich der Mann bis dahin nicht unterzogen hatte, wäre eine Quarantäne vermeidbar gewesen.
Arbeitgeber kann sich nicht durchsetzen
Der Mitarbeiter klagte daraufhin gegen seinen Arbeitgeber. Er hätte ja gerne gearbeitet, aber es sei ihm ja nicht möglich gewesen, weil er von Amtswegen mit einer Quarantäne belegt worden sei, obwohl er keine Symptome mehr gehabt habe. Dieser Argumentation konnte das zuständige Arbeitsgericht folgen und gab dem Mitarbeiter recht, was seinen Arbeitgeber vor das Landesarbeitsgericht ziehen ließ, das ebenfalls für den Angestellten urteilte. Letztlich blieb auch die Revision beim Bundesarbeitsgericht erfolglos.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Mai 2024, Aktenzeichen 5 AZR 234/23
Keine Quarantäne-Tage zu Urlaubstagen
Anders verlief es für einen Arbeitgeber, ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen. Er hatte seinem Schlosser Urlaub gewährt. Während des Urlaubs musste auch er auf behördliche Anweisung in häusliche Quarantäne ohne, dass er tatsächlich erkrankt war. Der Schlosser erwartete nun von seinem Arbeitgeber, dass die Tage in der Quarantäne – ähnlich wie Krankheitstage im Urlaub – nicht als Urlaubstage verbucht würden und so seinem Urlaubskonto wieder zugeschlagen werden sollten. Das verweigerte der Arbeitgeber. Daraufhin klagte der Schlosser. Im Gegensatz zum vorherigen Fall, bei denen in drei Instanzen das Urteil zu Gunsten des Klägers ausfiel, bereitete dieses Verfahren den Juristen echtes Kopfzerbrechen. Tatsächlich haben verschiedene Landesarbeitsgerichte in vergleichbaren Fällen zugunsten der Arbeitnehmer entschieden. Der Schlosser hatte in erster Instanz verloren, vor dem Landesarbeitsgericht in Hamm aber gewonnen. So wanderte auch dieser Fall vor das Bundesarbeitsgericht nach Erfurt. Dort wartete man allerdings auf ein Zeichen des Europäischen Gerichtshofes, den das Bundesgericht angerufen hatte. Danach fällten die Richter in Erfurt ein Urteil, das den Vorstellungen des Arbeitgebers entsprach. Danach müssen die Tage in der Quarantäne, im Gegensatz zu Krankheitstagen, nicht vom Urlaub abgezogen werden. Mit der Urlaubsgewährung und der Entgeltfortzahlung habe der Arbeitgeber schon genug getan, meinten die Richter. Der „Urlaubserfolg“ liege jetzt nicht in der Verantwortung des Arbeitgebers.
Gesetzliche Regelung verändert einiges
Es war auch der unsicheren Rechtslage geschuldet, dass nun im Urlaubsgesetz einiges geändert wurde. Unter anderem ist jetzt klargelegt worden, dass eine behördliche Quarantäne letztlich ebenfalls behandelt werden muss wie eine Erkrankung. Wer also während seines Urlaubs nun plötzlich in Quarantäne muss – sei er erkrankt oder nicht – hat das Recht, die Quarantänetage wie Krankheitstage auf sein Urlaubskonto anrechnen zu lassen. Einfacher gesagt: Quarantänetage werden künftig nicht mehr von Urlaubstagen abgezogen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Mai 2024, Aktenzeichen 9 AZR 76/22;
Peter S. Kaspar