Der Betriebsarzt – ein unbekanntes Wesen?

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In vielen Firmen wissen die Mitarbeiter nicht einmal, wie das Gesicht ihres Betriebsarztes aussieht – Bildquelle: Fotolia

In großen Unternehmen kennen die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Betriebsarzt, weil er, wenn er festangestellt ist, auch irgendwie Kollege ist. Doch es gibt auch etliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in ihrem ganzen Berufsleben noch keine Betriebsärztin und keinen Betriebsarzt gesehen haben. Sie arbeiten meist in kleinen Betrieben mit einer oder zwei Händen voll Mitarbeitern. Häufig wissen sie auch nicht, dass auch ihr Unternehmen selbstverständlich einen Betriebsarzt nachweisen muss. Doch der hat dann, wie andere Ärzte auch, eine eigene Praxis und bietet seine Dienste verschiedenen Unternehmen an, zum Beispiel Betriebsbegehungen oder Vorsorgeuntersuchungen. Wenn es in einem Betrieb keinen Bedarf für Pflichtvorsorge-Untersuchungen gibt, dann kann es gut sein, dass von der Existenz eines Betriebsarztes nicht einmal etwas bekannt ist.

Mythos Betriebsarzt

Das mag auch der Grund dafür sein, dass um den Betriebsarzt ein gewisser Mythos entstanden ist, der, bei näherer Betrachtung, der Wirklichkeit eher nicht standhält. Eine dieser Legenden lautet, dass ein Betriebsarzt eine Krankschreibung überprüfen oder gar überstimmen könnte. Das ist rundherum falsch. Die Erklärung ist einfach. Ein Betriebsarzt darf keine Krankschreibung ausstellen. Wie alle anderen Ärzte auch unterliegen Betriebsärztinnen und Betriebsärzte der Schweigepflicht. Auf der anderen Seite müssen sie auch loyal gegenüber ihrem Auftrags- oder Arbeitgeber sein. Das kann schnell zu einem Interessenkonflikt führen. In einer Krankschreibung darf keine Diagnose aufgeführt sein. Gerade die könnte ja aber den Arbeitgeber brennend interessieren.
Was kann ein Arbeitgeber dann aber tun, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter verdächtig viele Krankschreibungen bringt? Sollte der Unternehmer berechtigte Zweifel haben, dass es bei der Krankschreibung eher um ein Krankfeiern geht, dann kann er die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter zu einem Arzt des medizinischen Dienstes der Krankenkassen schicken. Auch von da wird ein Unternehmer keine Diagnose bekommen, aber zumindest die Feststellung, ob der Mitarbeiter tatsächlich arbeitsunfähig ist.

Betriebsarzt gegen Übereifer

So ganz selten ist das Krankfeiern mit dem gelben Schein nicht. Ungefähr jeder achte Arbeitnehmer hat schon mal auf diese Weise blau gemacht. Andersherum gibt es weniger Schätzungen. Es passiert immer wieder, dass sich Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer zur Arbeit schleppen, obwohl sie eigentlich ins Bett gehören. In einem einzelnen Büro geht das vielleicht noch, doch in einem Großraumbüro sieht das schon ganz anders aus. Ganz besonders heikel wird es, wenn der erkrankte Mitarbeiter zum Beispiel eine gefährliche Maschine bedient, also ein Arbeitsplatz, an dem schon ein kleiner Konzentrationsmangel zu einem Unfall führen könnte. Darf der Betriebsarzt dann eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter krankschreiben? Die überraschende Antwort lautet nein. Was er aber tun kann – er kann ihn kurzerhand nach Hause, beziehungsweise zum Hausarzt schicken. Der Betriebsarzt ist nämlich der Arbeitssicherheit verpflichtet. Wenn er zum Beispiel Kenntnis davon hat, dass jemand aus gesundheitlichen Gründen eine komplizierte Maschine nicht mehr bedienen kann, dann muss er das ebenso unterbinden, wie die Gefahr, dass eine ganze Abteilung von einem kranken, aber übereifrigen Kollegen angesteckt wird.

Vorsorge Bildschirm G 37

 

 

 

 

Angst vor dem BEM

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die viele Wochen oder gar Monate krankheitsbedingt gefehlt haben, können durch das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) wieder an das Berufsleben herangeführt werden. Das macht manchem betroffenen Angst. Einerseits gibt es die Befürchtungen, auf einen anderen, als den alten Arbeitsplatz abgeschoben zu werden oder gar den Job ganz zu verlieren, sollte der Betriebsarzt den Daumen senken. Einige sehen in Betriebsärzten sogar willige Helfer der Unternehmensleitung, wenn es darum geht, das Personal zu verschlanken. Das wäre allerdings ein glatter Rechtsbruch und auch mit der medizinischen Ethik nicht zu vertreten. Das Gegenteil ist der Fall. Der Betriebsarzt wird immer zunächst das Wohl des Arbeitnehmers im Auge haben. Allerdings ist er auch der Arbeitssicherheit verpflichtet. Sollte ein Arbeitnehmer nach einer längeren Krankheit seiner angestammten Tätigkeit nicht mehr nachgehen können, wird der Betriebsarzt zusammen mit Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach einer anderen, passenden Tätigkeit im Unternehmen suchen.

Peter S. Kaspar