Eine gesunde Bindung

Die Zahl der Krankschreibungen in deutschen Unternehmen wächst weiter. Das bestätigt auch der Fehlzeitenbericht 2024, den die AOK vor kurzem veröffentlichte. Darin wird sogar von historischen Höchstständen geschrieben. Aber muss das denn sein? Im gleichen Bericht zeigt die AOK denn auch einen Weg auf, wie die alarmierenden Zahlen wieder sinken könnten. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat nämlich festgestellt, dass in Unternehmen mit hoher Mitarbeiterbindung, die Fehlzeiten massiv geringer ausfallen. DOKTUS hat sich den Fehlzeitenbericht genauer angesehen.

Zahlen auf historischem Niveau

Von 2014 bis 2021 verzeichneten die allgemeinen Ortskrankenkassen im Schnitt knapp 160 Krankschreibungen pro 100 Arbeitnehmenden. 2023 waren es 225. Im laufenden Jahr 2024 wurde dieser Wert schon im August erreicht. Die klassische Erkältungssaison hat dabei noch nicht einmal begonnen. Laut der Expertin der WIdO, Johanna Baumgardt, lässt sich das möglicherweise auf die höhere Empfänglichkeit für Atemwegserkrankungen zurückführen. Da sind „neue, zusätzliche Viruserkrankungen“ hinzugekommen, die nun als „wesentlicher Treiber dieser Entwicklung“ gesehen werden könnten. Doch es gibt auch noch eine andere mögliche Erklärung. Durch die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergäbe sich nun ein vollständigeres Bild. Tatsächlich gibt es etliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Krankschreibung nie beim Arbeitgeber abgegeben hätten.

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Das Psychosoziale Sicherheitsklima

Doch auch wenn das Phänomen mit der elektronischen AU einen Einfluss auf die Statistik genommen hat, so bleibt eines unbestritten: Die Zahl der Krankschreibungen ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Besonders im Pflegebereich ist das deutlich zu beobachten. Deshalb hat das WIdO innerhalb des Fehlzeitenberichts eine gesonderte Studien dem Pflegebereich gewidmet. Die Zahlen sind bedenklich. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten hat sich schon ernsthaft mit einem Wechsel des Arbeitsplatzes oder gar des Berufs beschäftigt. Die Studie hat als Grund dafür das psychosoziale Klima im Unternehmen ausgemacht. Oft fehlt es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der nötigen Wertschätzung, viele klagen über Arbeitsüberlastung. Das alles trägt nicht eben zur Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz oder zur Identifikation mit dem Arbeitgeber bei.

Die Bindung ist entscheidend

Es geht allerdings auch anders. Die Studie hat herausgefunden, dass eine hohe Bindung an die Einrichtung, in der Beschäftigte tätig sind, zu einem interessanten Effekt führt. Die oben genannten Zahlen für diesen Bereich halbieren sich, wenn das psychosoziale Klima stimmt. Das heißt, dass Arbeitgeber hier einen sehr positiven Gestaltungsspielraum haben. So meint Antje Ducki, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Berliner Hochschule für Technik (BHT), dass „Glaubwürdigkeit und Kongruenz des Managements im Umgang mit Fragen der psychischen Gesundheit“ einer der wichtigsten Faktoren für die Bindung der Mitarbeitenden an ihre Einrichtung seien.

Care4Care als Beispiel

Wie das erreicht werden kann, zeigt das Programm „Care4Care“, mit dem das psychosoziale Klima in Pflegeeinrichtungen gestärkt werden soll. Zu den begleitenden Maßnahmen einer Stärkung der betrieblichen Gesundheitsförderung im Pflegebereich gehören eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, das durch Online-Trainings, E-Assesments, E-Coaching angeboten und durch Workshops begleitet wird. Im Grunde läuft alles auf einen sehr logischen Gedanken hinaus: Einrichtungen, die davon leben, dass sie sich um die Gesundheit ihrer Patienten kümmern, gewinnen an Glaubwürdigkeit, wenn sie der betrieblichen Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls einen hohen Stellenwert zubilligen.

Peter S. Kaspar

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