Eine wertlose Krankschreibung
Nicht immer enden Arbeitsverhältnisse schiedlich-friedlich. Bisweilen entwickelt sich die Zeit zwischen Kündigung und tatsächlichem Ausscheiden zu einer wahren Tortur, vor allem, wenn die Kündigungsfrist recht lange bemessen ist. Wohl dem, der seinen Resturlaub verwenden kann. Wer den allerdings schon verbraten hat, dem hilft vielleicht ja der Gang zum Hausarzt. Das dachte sich auch ein Fleischer, dessen Fall in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in Rostock verhandelt wurde. Der Hausarzt bescheinigte ihm eine Anpassungsstörung, was angesichts der Gesamtsituation durchaus plausibel schien.
Arbeitgeber will die Krankschreibung nicht akzeptieren
Der Arbeitgeber des Fleischers, eine Wurstfabrik, wollte jedoch die Krankschreibung nicht akzeptieren und verweigerte die Lohnfortzahlung. Der Fall landete vor dem Arbeitsgericht, das zunächst auch dem Fleischer Recht gab. Doch der Wurstfabrikant ging in die nächste Instanz – und gewann dieses Mal. Das ist insofern bemerkenswert, als eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor Gericht durchaus Beweiskraft besitzt. Trotzdem urteilten die Rostocker Richter gegen den Fleischer. Was also war passiert?
Krankschreibung passgenau mit Kündigungsfrist
Den Richtern kam es merkwürdig vor, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sehr genau mit der Kündigungsfrist zusammenpasste und der Fleischer auch unmittelbar danach bei seinem neuen Arbeitgeber den Dienst aufnahm. Doch das allein hätte noch nicht genügt. Auch die Diagnose „Anpassungsstörung“ war dem Gericht dann doch zu schwammig. Das alles nährte bei den Richterinnen und Richtern die Zweifel, ob die Leiden tatsächlich so stark waren, dass sie eine Arbeitsunfähigkeit begründeten. Am Ende entschieden sie, dass die AU und die „pauschale Behauptung“ einer Angststörung kein Beweis für eine Arbeitsunfähigkeit seien.
Sind Krankschreibungen nun wertlos?
Nach wie vor behalten die Bescheinigungen über eine Arbeitsunfähigkeit einen hohen Stellenwert und besitzen in aller Regel auch vor den Arbeitsgerichten eine Beweiskraft. Betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können allerdings viel dazu beitragen, diese Beweiskraft zu stärken, oder sie nachdrücklich zu erschüttern. Letzteres war dem Fleischer aus dem Norden tatsächlich gelungen. Bei der Verhandlung stellte sich nämlich heraus, dass der Mann erstaunlich wenig zu seiner Genesung beigetragen hatte. Weder suchte er einen Facharzt auf, noch nahm er die verschriebenen Medikamente. Er selbst schien also seine Krankheit gar nicht so ernst zu nehmen.
Wie verhindert man Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?
Wer am Ende einer Karriere bei einem Unternehmen die letzten Wochen eher nicht mehr an seinem Arbeitsplatz verbringen will, sollte sich – soweit sich das planen lässt – eher den Resturlaub aufsparen, um möglichst wenig Zeit zwischen Kündigung und Verlassen der Firma im Betrieb zu verbringen. Ist es wirklich begründet, dann kann tatsächlich eine Krankschreibung helfen. Die Diagnose: „Anpassungsstörung“ ist da durchaus plausibel. Kündigungen und Jobwechsel gelten als klassische Auslöser für diese psychische Krankheit. Sollte es durch Mobbing am Ende zu einer Kündigung gekommen sein, dann wird man einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer auch kaum zumuten können, noch lange mit den mobbenden Kollegen zusammen zu arbeiten. Wichtig ist vor allem die Krankheit, ihre Symptome und ihre Folgen genau zu dokumentieren und sie nach Möglichkeit von einer Ärztin oder einem Arzt des Vertrauens bestätigen zu lassen. Tatsächlich hat niemand die Absicht, Krankschreibungen als Beweismittel abzuschaffen – aber sie müssen eben auch das bleiben: Beweismittel. Hier hat das Landesarbeitsgericht klar gemacht, dass Krankschreibungen nicht verwässert werden dürfen.
Peter S. Kaspar