Geburtstagsbilanz unklar


Geburtstagstorte

Ein kleines Jubiläum: Erste Bilanz des Hinweisgeberschutzgesetzes – Bildquelle: Fotolia



Seit einem Jahr gilt in Deutschland das Hinweisgeber-Schutzgesetz. Zunächst betraf es nur größere Unternehmen, doch seit dem 17. Dezember sind auch Betriebe ab 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verpflichtet, Möglichkeiten zu schaffen, wie Whistleblower möglichst anonym und ohne Furcht vor Repressalien Erkenntnisse über Missstände weiter geben können. Die Bundesrepublik setzte damit eine Richtlinie der Europäischen Union um, die schon 2019 erlassen wurde. Dass es in Deutschland vier Jahre dauerte, die Anforderungen der EU in Gesetzesform zu gießen, war auch dem Widerstand unter anderem aus der Wirtschaft geschuldet. Wie sieht die Bilanz nach einem Jahr aus? DOKTUS hat nachgeschaut.

1.200 Fälle beim Bundesamt für Justiz eingegangen

Sehr viele verlässliche Zahlen gibt es allerdings noch nicht. Immerhin hat das Bundesamt für Justiz als eine der wichtigsten externen Meldestellen den Eingang von 1.200 Fällen verzeichnet. Ist das viel? Ist das wenig? Ist das überhaupt repräsentativ? Schwer zu sagen, denn es gibt zahlreiche externe Meldestellen. Sie sind zum Beispiel bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht angesiedelt, oder beim Bundeskartellamt. Auch auf europäischer Ebene gibt es externe Meldestellen, wie zum Beispiel bei der Luftaufsichtsbehörde oder der Arzneimittel-Agentur. Zudem sind Unternehmen dazu verpflichtet, interne Meldestellen vorzuhalten. Es ist eher nicht anzunehmen, dass größere Unternehmen Zahlen darüber veröffentlichen, wie oft sich Whistleblower bei der eigenen Meldestelle gemeldet haben.

Für die Evaluierung fehlt das Geld

Unter diesen Umständen ist es klar, dass eine Evaluierung des Gesetzes, die noch in diesem Jahr vorgesehen war, eine sehr komplexe Angelegenheit ist. Will sie auch noch wissenschaftlichen Anforderungen standhalten, dann wird es eine ziemlich teure Angelegenheit, wie der Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Benjamin Strasser, bei einer Veranstaltung in Berlin einräumte. Das Geld dafür ist derzeit nicht da. Auch das Justizministerium musste nach der letzten Sparrunde beim Bundeshaushalt den Rotstift ansetzen. So wird es zunächst einmal schwer, einen Erfolg oder Misserfolg des Hinweisgeber-Schutzgesetzes nachzuweisen. Immerhin werden immer wieder einzelne Erfolge bekannt, etwa bei dem Elektronikhersteller AVM, der nach einem Whistleblower-Hinweis über 14 Millionen Euro Bußgeld bezahlte.

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Auch kleine Unternehmen machen mit

Auch wenn es schwer ist, den Erfolg in Zahlen auszudrücken, so gibt es sogar Firmen, die sich nach dem HinSchG richten, die es gar nicht müssen. Ein Berliner Bildungsträger etwa, der gerade mal 20 Angestellte zählt, hat entsprechende Meldekanäle eingerichtet, um damit zu dokumentieren, wie wichtig ein solches Gesetz ist. Allerdings ist über die Kanäle noch kein einziger Hinweis eingegangen, was bei der Betriebsgröße nun allerdings wenig überraschend ist.

Das Gesetz gilt auch für Ämter und Behörden

Nun ist das Hinweisgeberschutzgesetz nicht ausschließlich für die Wirtschaft geschrieben worden. Ämter und Behörden sind genauso betroffen. Auch hier wird mitunter gemauschelt, gibt es manchmal korrupte Strukturen, die oft nur durch interne Hinweise gebrochen werden können. Ein Beispiel sind rechte Chat-Gruppen bei der Polizei. Hier offenbart sich allerdings auch eines der großen Probleme des Hinweisgeber-Schutzgesetzes und beweist gleichzeitig, warum es so nötig ist. In Behörden wie der Polizei oder aber auch bei der Bundeswehr finden sich immer wieder Gruppen, die sehr empfänglich sind, für so manchen Ehrencodex oder einen – aus dem englischen Sprachraum entliehenen – Code Red. Verbunden ist das dann auch stets mit einem Schweigegebot oder einem Schweigegelübde. Wer dagegen verstößt, stellt sich außerhalb der Gemeinschaft und wird von ihr dann geächtet. Das macht es viel schwerer auf interne Missstände hinzuweisen als zum Beispiel in der Registratur eines Großunternehmens. Doch gerade dieses extreme Beispiel verdeutlicht auch, warum ein Gesetz wie das Hinweisgeberschutzgesetz so wichtig ist. Erst die Anonymität kann gewährleisten, dass der Hinweisgeber keinen Schikanen ausgesetzt wird.

Auch wenn keine klaren Zahlen vorliegen, so verfestigt sich langsam die Einsicht in die Notwendigkeit des Gesetzes. Auch einige Unternehmen merken mit einem Mal, dass Whistleblower nicht unbedingt etwas Schlechtes sein müssen, sondern sich am Ende als überaus hilfreich für das eigene Haus erweisen können.

Peter S. Kaspar