Renaissance des Betriebssports?

Betriebssport

Beleben Bayer Leverkusens Erfolge eine alte Erfolgsgeschichte wieder? – Bildquelle: Fotolia

Ungeschlagen in der Bundesliga deutscher Meister zu werden, hat noch keine Mannschaft geschafft – bis Bayer Leverkusen seinen ersten Titel holte. Doch dahinter steckt mehr als der Erfolg einer Fußballmannschaft. Es geht auch um ein Prinzip, das viel mit Gesundheit und Motivation am Arbeitsplatz zu tun hat.

Viel Spott musste Bayer 04 Leverkusen in den letzten Jahren ertragen. Vizekusen, Pillendreher und Retorten-Verein waren noch die harmloseren Bezeichnungen. Zumindest letztere ist zudem völlig falsch. Tatsächlich ist der TSV Bayer 04 nicht nur ein sehr traditionsreicher, sondern auch ein überaus erfolgreicher Verein. Die Basketballer wurden 14 Mal deutscher Meister, die Handballerinnen zwölf Mal und die Leichtathleten holten etliche Goldmedaillen bei olympischen Spielen. Zu den bekanntesten Sportlern gehören Willi Holdorf, Heide Rosendahl, Ulrike Meyfarth und Dieter Baumann. DOKTUS zeichnet nach, was es mit dem Betriebssport auf sich hat.

Betriebssport ist identitätsstiftend

Die ersten Fußballvereine gründeten sich im Süden Englands an teuren Privatschulen, im Norden taten sich Arbeiter von Spinnereien, Kohleminen oder Werften zusammen. Hier entwickelten sich die ersten Betriebsmannschaften, in der Regel stark gefördert und unterstützt von den entsprechenden Fabrikbesitzern. Ähnliches wiederholte sich wenige Jahre später im Ruhrgebiet. Die Spieler kamen aus Zechen, Eisengießereien und Stahlwerken. Auch über den Betriebssport hinaus gründeten sich Sportverbände, deren Mitgliedsvereine durch ihren Namen erkennbar waren. Jüdische Vereine tragen bis heute den Namen Makkabi, katholische erkennt man am Kürzel DJK. In der DDR wurden Betriebssportvereine den einzelnen Branchen zugeordnet. Vereine mit dem Namen Traktor vertraten Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (Traktor Schwerin), Spieler die bei der Reichsbahn arbeiteten, spielten bei Lokomotive (Lok Leipzig) und wer in der Energie tätig war, bei Turbine (Turbine Potsdam). Die Idee war grundsätzlich die gleiche: Sportlicher Erfolg schweißt zusammen, fördert die Identifikation mit dem Unternehmen und hebt die Moral im Betrieb.

Betriebssport ist gesund

Doch neben der identitätsstiftenden Wirkung des Sports spielte auch früh schon die Gesundheit eine große Rolle. Das zeigt sich daran, dass auch erfolgreiche Betriebssportgemeinschaften über ein üppiges Breitensportangebot verfügen. Regelmäßiger Betriebssport beugt Erkrankungen vor und bietet einen Ausgleich zur täglichen Arbeit. Wer zum Beispiel täglich am Schreibtisch sitzt, dem tut ein wenig Sport sehr gut. Damit können Verspannungen gelöst und Übergewicht bekämpft werden. Auch auf die mentale Gesundheit hat regelmäßiger Sport eine positive Auswirkung. Zudem wird der Teamgeist gestärkt. Außerdem kann eine funktionierende Betriebssportgruppe mit einem reichhaltigen Angebot die Attraktivität eines Unternehmens deutlich erhöhen.

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Betriebssport schwächelt

Trotz all dieser Vorteile hat der Betriebssport in den vergangenen Jahren ein wenig geschwächelt. Von der großen Beliebtheit vergangener Jahre ist er heute ein gutes Stück entfernt. Das hat, so merkwürdig es klingt, wohl auch mit dem Thema Versicherung zu tun. Hatten sich früher viele Betriebssportgemeinschaften am regulären Spielbetrieb beteiligt, findet man sie heute eher selten in den verschiedenen Sportligen. Ein Sportler einer Betriebssportgemeinschaft, der sich im Wettkampfsport verletzt, ist nämlich nicht mehr über die gesetzliche Unfallversicherung versichert, wie das früher einmal war. Zwar werden Sportunfälle im Rahmen des Betriebssports auch heute noch als Arbeitsunfall behandelt, aber dafür müssen eben auch die Rahmenbedingungen stimmen. Die wichtigste Bedingung ist: Der Sport muss Ausgleichs- und darf keinen Wettkampfcharakter tragen. Darüber hinaus muss der Sport regelmäßig stattfinden, die Teilnehmer müssen im Wesentlichen aus Betriebsangehörigen bestehen und es muss einen klaren Bezug zum Unternehmen geben. Nimmt eine Betriebssportgruppe trotzdem an regelmäßigen Wettkämpfen teil, können die Sportler aber über eine gesonderte Versicherung abgesichert werden.

Weniger Wettkampf – mehr Breitensport

Dadurch, dass der Wettkampfsport keine besonders große Rolle mehr in Betriebssportgruppen spielt, hat auch ihre Attraktivität nachgelassen. Viele Unternehmen versuchen das durch alternative Angebote auszugleichen, die für „normale“ Sportvereine nicht typisch sind, wie etwa Yoga, Tai Chi, Caipoera oder andere exotische Sportarten, die oft noch ein meditatives Element in sich tragen. Gerade in jungen Unternehmen und Start-Ups gewinnt diese modernere Art des Betriebssports wieder zunehmend an Beliebtheit. In Zeiten des Fachkräftemangels kann ein attraktives Sportangebot den Unterschied machen.

Vielleicht ein Anstoß

Auch wenn die Profifußball-Abteilung von Bayer Leverkusen längst nominell aus der Betriebssportgruppe TSV Bayer 04 ausgegliedert ist, identifizieren sich die meisten Mitarbeiter des Chemie-Giganten mit den Fußballern, die sich selbst schon seit Jahren trotzig „Werkself“ nennen. In ihrem Selbstverständnis sind sie immer ein Teil des Konzerns geblieben. Der Erfolg mag ja auch beim ein oder anderen Unternehmen den Anstoß gegeben haben, über die Gründung einer eigenen Betriebssportgruppe nachzudenken.

Peter S. Kaspar