Tesla eskaliert weiter
Mit Hausbesuchen bei erkrankten Mitarbeitenden war das deutsche Tesla-Werk in Grünheide vor den Toren Berlins im Herbst verhaltensauffällig geworden. Die Personalmanager der sogenannten Giga-Factory wollten damit dem hohen Krankenstand begegnen. Schon damals stieß das Vorgehen von Tesla auf breite Kritik. Der hohe Krankenstand, so Gewerkschaften, sei auf die schlechten Arbeitsbedingungen in der muskschen Autoschmiede zurückzuführen. Viel scheint sich seither nicht geändert zu haben. Zumindest fühlt sich die Betriebsleitung zu einem weiteren drastischen Schritt veranlasst, der breite Empörung hervorruft. So werden die Löhne von erkrankten Mitarbeitenden einbehalten. Zudem werden „Aufhebungsverträge“ angedroht, verbunden mit finanziellen Forderungen. Nicht nur bei DOKTUS fragt man sich: Ist das alles noch erlaubt?
Wie kommt es zu den vielen Fehltagen bei Tesla?
Bekanntermaßen ist Elon Musk kein großer Freund von Regelungen, schon gar nicht, wenn sie seinen Profit schmälern könnten. Schon in der Planungs- und Bauphase kam es immer wieder zu Übertretungen, etwa von Bau- oder Naturschutzvorschriften, die der Milliardär aus Kalifornien stets wegwitzelte. Behördlicherseits geschah wenig, zu groß war die Verlockung auf Tausende von Arbeitsplätzen im strukturschwachen Brandenburg. So geschah auch das Erwartbare. Musk pfiff auf so manche Arbeitsschutzregel. Daher ist es in Grünheide vermehrt zu Arbeitsunfällen gekommen. Massiver Druck der Unternehmensleitung sorgt, laut Gewerkschaften, für eine miese Stimmung unter der Belegschaft. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter blieben zu Hause. Ob sie krank feiern oder sie durch den Stress krank geworden sind, ist unklar und bleibt es auch, solange die Schweigepflicht des Hausarztes auch dem Betrieb oder dem Betriebsarzt gegenüber gilt.
Tesla will Schweigepflicht unterhöhlen
Und genau da setzt Tesla an. Erkrankte Mitarbeitende wurden angeschrieben und aufgefordert, ihren Hausarzt von der Schweigepflicht zu entbinden, damit das Unternehmen Einblick in die Krankenakte bekommt, genauer den medizinischen Grund für die Krankschreibung erfährt. Beschäftigten, die sich weigerten, soll der Lohn einbehalten worden sein, nicht nur anteilig, sondern komplett. Zudem enthielten manche Anschreibungen Drohungen. Die IG Metall berichtet, dass das Unternehmen darin behaupte, dass es zu „Überbezahlungen“ gekommen sei. Diese Schulden würden durch einen Aufhebungsvertrag getilgt werden.
Ist das alles rechtens?
So empörend die Maßnahmen Teslas auch sein mögen, so sind nicht alle Maßnahmen an den Haaren herbeigezogen. Tatsächlich kann es sogar rechtens sein, dass der Arbeitgeber Aufschluss über den Hintergrund einer Krankschreibung haben will. Genau so rechtens kann es sein, dass er einen Teil des Lohnes einbehält. Voraussetzung dafür ist allerdings der begründete Verdacht auf Lohnerschleichung. Doch solche Reaktionen sind nur in begründeten Einzelfällen zulässig. Bei Tesla jedoch entsteht der Eindruck, als würden solche Mittel flächendeckend und vor allem zur Einschüchterung der Belegschaft verwendet. Das ist vom Arbeitsrecht in keinem Fall gedeckt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Arbeitsrichter genau dies in den nächsten Wochen und Monaten häufiger den Vertretern von Tesla ins Stammbuch schreiben werden. Die IG Metall führt da eine ganz eigene Statistik. Sie hat nach eigener Auskunft Mitarbeitern von Tesla 21 Mal häufiger Rechtsschutz gewährt, als Mitgliedern, die bei anderen Unternehmen tätig sind.
Peter S. Kaspar
Bildquelle: iStock, Credit J-Picture