Über die Beweislastumkehr im Hinweisgeberschutzgesetz


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Schutz vor Kündigung: Die Rolle des Hinweisgeberschutzgesetzes – Bildquelle: Fotolia



Im Grunde ist das Recht sehr einfach: Niemand muss seine Unschuld beweisen, es muss immer die Schuld bewiesen werden. Ist das wirklich so? Im Strafrecht ist es fast ausnahmslos so. Lediglich im Passus über die üble Nachrede gibt es eine Formulierung, die als sogenannte Beweislastumkehr gedeutet werden könnte, doch selbst da sind sich die Experten nicht einig. Im Zivilrecht sieht es dagegen anders aus. Zum Beispiel bei der Arzthaftung ist es durchaus möglich, dass ein beklagter Arzt seine Unschuld beweisen muss, etwa, dass er keinen Kunstfehler begangen hat. Auch bei der Produkthaftung oder in Fällen, in denen es um eine fehlerhafte Beratung geht, kann es zur Beweislastumkehr kommen. In Fällen, in denen einer Partei die Beweislast nicht zugemutet werden kann, so der Bundesgerichtshof, kann die Beweislast umgekehrt werden. Konkret bedeutet das, wenn Laien sich von Experten geschädigt oder benachteiligt fühlen, können sie mit der Beweisführung überfordert sein. Dann muss der Beklagte beweisen, dass er mit seinem Expertenwissen den Geschädigten nicht übervorteilt. Doch wie sieht es mit der Beweislastumkehr im Hinweisgeber-Schutzgesetz (HinSchG) aus? DOKTUS hat sich das einmal etwas genauer angeschaut.

Wann greift die Beweislastumkehr im Hinweisgeberschutzgesetz?

Im Hinweisgeberschutzgesetz ist ebenfalls eine Beweislastumkehr verankert. Hier liegt der Fall allerdings ein wenig anders. Ein Whistleblower oder Hinweisgeber, der auf einen Missstand in seinem Unternehmen aufmerksam machen will, begibt sich oft auf dünnes Eis. Wenn ruchbar wird, dass der Hinweis von ihm kommt, muss er im Betrieb mit Sanktionen rechnen. Genau diese Angst verhindert häufig, dass mögliche Hinweisgeber ihr Wissen preisgeben. So bleiben viele illegale Machenschaften unentdeckt. Das Hinweisgeberschutzgesetz soll Whistleblowern diese Angst nehmen. Der Hinweisgeber muss sich jetzt nicht mehr vor Sanktionen des Arbeitgebers fürchten. Sollte der nämlich im Laufe eines Compliance-Verfahrens, das auf den Hinweisgeber zurückzuführen ist, Repressalien erleiden, dann schützt ihn das Gesetz genau davor. Wer also explizit wegen eines Hinweises entlassen oder abgemahnt wird, wer innerhalb des Betriebs versetzt wird, wem der Lohn gekürzt oder der Urlaub gestrichen wird, kann dagegen klagen. Es ist nun am Arbeitgeber zu beweisen, dass diese Maßnahmen nichts mit den Hinweisen zu tun haben, die zu dem Verfahren führten.

Kann durch die Beweislastumkehr das Hinweisgeberschutzgesetz missbraucht werden?

Kritiker der Beweislastumkehr im Hinweisgeberschutzgesetz sehen allerdings eine Gefahr. Mitarbeitende, die sich beispielsweise auf Grund mangelnder Leistung von der Kündigung bedroht sehen, könnten ein Compliance-Verfahren anstrengen und sich dadurch eine Art speziellen Kündigungsschutz verschaffen. Obwohl die Gefahr zunächst nicht von der Hand zu weisen ist, birgt sie doch für den Hinweisgeber ein enormes Risiko. Der Gesetzgeber ist nur an „Handfestem“ interessiert. Gerüchte oder Klatsch alleine führen noch nicht zu einem Compliance-Verfahren. Vorsätzlich oder auch nur fahrlässig gemachte falsche Angaben können den Hinweisgeber richtig teuer zu stehen kommen. Er muss dann für den Schaden aufkommen und verliert seinen Anspruch auf Schutz durch das Hinweisgeber-Schutzgesetz.

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Wem nutzt das Hinweisgeberschutzgesetz?

Ein starkes Meldesystem stärkt beide: Arbeitgeber und Arbeitnehmende. Ein Unternehmen, das ein gutes Compliance-System einrichtet, besitzt viel größere Chancen, mit Hilfe verantwortungsvoller Mitarbeiter, illegale Machenschaften aufzudecken, die einer Firma langfristig großen Schaden zufügen können. Umgekehrt fällt es nun auch Mitarbeitenden viel leichter, Unregelmäßigkeiten zu melden, die ja auch den eigenen Arbeitsplatz gefährden können. Sie haben nun die Gewähr, dass sie keine unangemessenen Folgen tragen müssen, wenn sie ihr Wissen an die richtigen Stellen weitergeben.

Peter S. Kaspar