Was sind die gefährlichsten Berufe?
Arbeitsschutz gilt überall, egal an welchem Arbeitsplatz. Klar ist aber auch, dass der Höhenretter einen deutlich gefährlicheren Arbeitsplatz hat, als der Sachbearbeiter im Versorgungsamt. Trotzdem kann der Höhenretter sein Berufsleben lang von einem Unfall verschont bleiben, und der Sachbearbeiter über die Teppichkante seines Büros stolpern und sechs Wochen im Krankenhaus liegen. Für die deutsche gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) ist allerdings die Statistik ausschlaggebend. Ein Arbeitsunfall bei Büroangestellten kommt nur 1,8 mal pro 1000 Beschäftigte vor. Das ergeben die Unfallzahlen der DGVU für das Jahr 2022. DOKTUS hat sie sich einmal genauer angesehen.
Die Gefahr droht auf dem Bau
Die Liste der gefährlichsten Berufe und Berufsgruppen führen die Beschäftigten der Baukonstruktionsberufe an. Darunter versteht man Maurer, Zimmerleute, Bautischler – interessanterweise aber nicht Dachdecker. Sie stehen ja als Synonym für eine besonders anstrengende und gefährliche Branche. Doch auch ohne Dachdecker reicht es Maurern, Zimmerleuten und Co noch locker auf Platz eins der gefährlichsten Berufe. Von 1000 Beschäftigten in Baukonstruktionsberufen erlitten 124 einen meldepflichtigen Arbeitsunfall. Damit stehen die Männer und Frauen vom Bau einsam an der Spitze der gefährlichsten Berufe.
Vorsicht Kinder!
Auf Platz zwei stehen die Mitarbeitenden der Abfallentsorgung. Hier kam es zu 95 Unfällen pro Tausend Beschäftigte. Das mag vielleicht keine Überraschung sein, Platz drei aber auf jeden Fall. Den nehmen Beschäftigte in Berufen der Kinder- und Lernbetreuung ein. Kinder sind also ein nicht zu unterschätzendes Berufsrisiko, so die Statistik. Von 1000 Beschäftigten verletzten sich 87 so ernsthaft, dass der Unfall als Arbeitsunfall eingestuft wurde. Damit sind Erzieherinnen und Erzieher gefährdeter als Dachdecker, die auf 77/1000 Arbeitsunfälle kommen. Die DGVO erklärt diese Diskrepanz allerdings auch recht einleuchtend. Beim Spielen oder dem Herumtoben mit Kindern passiert schnell etwas. Sei es ein Ausrutschen oder ein Stolpern über ein Spielzeug. Tatsächlich gerät zum Beispiel eine Gefahrenbewertung in einer Kita schnell an ihre Grenzen. Das was in „normalen“ Unternehmen ein No-Go wäre, ist im Kindergarten normal, wo jedes freistehende Bobby-Car eine Gefahrenquelle darstellt. Alle Gefahrenquellen restlos zu beseitigen hieße aber am Ende den Sinn einer Kinderbetreuung ab absurdum zu führen.
Gefahrenquelle Zufall
Der Vergleich mit dem Kindergarten zeigt, warum gefährlich scheinende Berufe nicht unbedingt unfallträchtig sein müssen. Die große Gefahrenquelle ist stets der Zufall. Unfallvermeidung arbeitet auch darauf hin, das Element Zufall so stark wie möglich einzuschränken. Hinzu kommt, dass jemand, der sich bewusst ist, in einem gefährlichen Beruf zu arbeiten, eine viel höhere Aufmerksamkeit zeigt, als jemand, der seinen Beruf für völlig ungefährlich hält, und dann im Büro – siehe oben – über die Teppichkante stolpert.
Vorsicht auf der Schwäbischen Alb
Die DGUV hat sich auch die regionalen Unfallschwerpunkte angesehen und festgestellt, dass es gar keine so großen Unterschiede gibt. Trotzdem hat sie zwei Hot-Spots ausgemacht, das Emsland hoch im Norden und die Schwäbische Alb. Dass ausgerechnet die gewissenhaften Schwaben hier an der Spitze stehen, ist auch ein wenig überraschend – oder vielleicht auch nicht. Es ist nicht etwa ihr sprichwörtlicher Geiz, der sie an den nötigen Sicherheitsmaßnahmen sparen lässt, sondern die Struktur der Wirtschaft. Die DGUV hat festgestellt, dass dort wo viele kleine und mittelständische Unternehmen agieren, die Zahl der Arbeitsunfälle höher liegt, als bei den Großunternehmen. Gerade die Schwäbische Alb ist aber für ihre zahllosen kleinen Fabriken bekannt.
Kein Kettensägen-Massaker
Und was ist das gefährlichste Werkzeug (mit Motorantrieb)? Auch hier gibt es eine Überraschung. Es ist eben nicht die Kettensäge, die für die meisten Unfälle mit Werkzeugen verantwortlich ist, wie vermutlich die meisten Menschen getippt hätten. Die Kettensäge liegt tatsächlich nur auf Platz sieben. Gerade mal 2,1 Prozent der Unfälle mit handgeführten Werkzeugen gehen auf sie zurück. Einsam an der Spitze liegen dagegen Winkelschleifer, Flex und Trennschleifer. Ein Viertel aller Unfälle gehen auf diese Werkzeuge zurück.
Ein hohes Gefahren-Bewusstsein schützt am besten
Auch dieses Beispiel zeigt, dass ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Gefahr noch immer der beste Schutz vor einem Arbeitsunfall ist. Tatsächlich liegen auch andere Sägen eher im Mittelfeld oder gar am Ende der Gefahrentabelle. Mit Bohrmaschinen und Schraubern passiert laut Statistik deutlich mehr. Die Unfallzahlen ließen sich sicher senken, wenn das Bewusstsein dafür geschärft würde, dass auch solche Werkzeuge ein nicht zu unterschätzendes Unfallrisiko bergen.
Peter S. Kaspar