Was wird aus der telefonischen Krankschreibung?
Vor dem Regierungsbeben in Berlin war es bereits ein heiß diskutiertes Thema: Die telefonische Krankschreibung. Freie Demokraten und Arbeitgeberverbände wollten sie abschaffen. Arbeitnehmervertreter, vor allem aber Betriebsärzte warnen davor. Bevor ihre Lichter erloschen, wollte die Ampel die telefonische Krankschreibung noch einmal auf den Prüfstand stellen. Daraus wird jetzt vorerst nichts. Wie hoch die Priorität bei einer neuen Bundesregierung sein wird, ist bislang schwer abzusehen. Die Union hat sich in dieser Frage bisher bedeckt gehalten.
„Glaubt auch an den Klapperstorch“
Der letzte, der sich zum Thema telefonische Krankschreibung sehr deutlich zu Wort gemeldet hatte, war Andreas Tautz, seines Zeichens der oberste Betriebsarzt bei der Deutschen Post. Er gab wenige Tage vor dem Ende der Ampelkoalition dem Nachrichtenmagazin Spiegel ein Interview zum Thema telefonische Krankschreibung. Er bemängelte, dass Arbeitgeber immer wieder versuchten, einen Zusammenhang zwischen telefonischer Krankschreibung und hohem allgemeinen Krankenstand herzustellen. Dazu meinte Tautz: „Wer an solche Korrelationen glaubt, denkt auch, dass der Storch die Kinder bringt.“ Indirekt lässt er sogar durchblicken, dass der Krankenstand ohne eine telefonische Krankschreibung sogar noch höher liegen könnte. So weißt er darauf hin, dass infektiöse Patienten bei einer telefonischen Krankschreibung eben nicht in einem Wartezimmer sitzen würden. Die Einführung der telefonischen Krankschreibung während der Corona-Pandemie wurde unter anderem auch damit begründet, dass die Ansteckungsgefahr in Arztpraxen verringert würde.
Andreas Tautz sieht sich in guter Gesellschaft. Auch die Krankenkassen wollen die telefonische Krankschreibung beibehalten. Die Vorstandsvorsitzende der AOK, Carola Reimann, sieht zwar eine Vielzahl von Gründen für die erhöhten Krankschreibungen. Die telefonische Kranschreibung zählt sie allerdings nicht dazu. Ihr Kollege Jens Baas von der Techniker-Krankenkasse verweist auf die geringeren Ansteckungszahlen.
Telefonische Krankschreibung und elektronische Patientenakte ergänzen sich
Neben der geringeren Infektionsgefahr, die eine telefonische Krankschreibung gewährleistet, ist da noch die Verbindung mit der elektronischen Patientenakte. Beide Mittel ergänzen sich nämlich sehr gut. Durch die elektronische Patientenakte haben Ärztinnen und Ärzte alle relevanten Daten des Patienten sofort parat. Sie können so deutlich schneller und effektiver reagieren. Auch der von Kritikern der telefonischen Krankschreibung immer wieder beschworene, Missbrauch kann durch die elektronische Krankschreibung verringert werden.
Warum auf dem Prüfstand?
Obwohl die Meinung der Experten zur telefonischen Krankschreibung ziemlich einhellig ist, wollte die Bundesregierung dieses Mittel auf den Prüfstand stellen. Stellt sich die Frage, warum? Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner gehört zu jenen, die die überaus hohe Zahl der Krankgeschriebenen mit der telefonischen Krankschreibung in Verbindung bringen und sieht sich dahingehend mit Vertretern der Wirtschaft einig. Im Zuge der Wachstumsinitiative für die deutsche Wirtschaft hätte die Bundesregierung die Wirksamkeit der telefonischen Krankschreibung überprüft. Spätestens nach dem Zerbrechen der Ampel ist klar, dass es sich bei dieser Überprüfung um ein Zugeständnis an die FDP gehandelt hatte. Doch nachdem der Koalitionspartner nun außen vor ist, wird es wohl kaum noch zu der angekündigten Überprüfung kommen, wie wohl auch die gesamte Wachstumsinitiative nun in Frage steht.
Was will die CDU?
Bis zur Bundestagswahl Ende Februar wird in Sachen telefonischer Krankschreibung nichts passieren. Und danach? Sollte die CDU tatsächlich in die Regierungsverantwortung treten, würde sie auf die Abschaffung der bisherigen Praxis drängen? Es ist zwar klar, dass sich Union und FDP in Wirtschaftsfragen näher stehen als Union und Sozialdemokraten. Doch dass die CDU deshalb automatisch Linders Linie in dieser Frage folgt, ist noch längst nicht ausgemacht. Zwar haben sich schon alle möglichen Parteien und Verbände, Politiker und Funktionäre zu diesem Thema geäußert. Von der Union ist dahin gehend bislang nichts zu hören. Selbst CDU-Chef Friedrich Merz, der seine Landsleute gerne fleißiger sähe, hat das Wort von den telefonischen Krankschreibung, zumindest in der Öffentlichkeit, noch nicht in den Mund genommen. Allerdings scheint es auch nicht besonders klug, im Vorwahlkampf gegen so ein populäres Mittel wie die telefonische Krankschreibung anzugehen. Was dagegen klar ist: Die CDU will das Bürgergeld in dieser Form nicht mehr haben. Jüngst äußerten sich dazu Generalsekretär Carsten Linnemann und der parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei. Ihre Argumentation klang ähnlich und lässt sich mit dem Satz zusammenfassen: „Wer arbeiten kann, soll auch arbeiten.“ Und das klingt dann eher nicht so, als könne man sich mit einer telefonischen Krankschreibung auf Dauer anfreunden.
Peter S. Kaspar
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