Wenn das Leiden chronisch wird

Im Grunde ist es ja ganz einfach. Wer krank wird, geht zum Hausarzt, holt sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, vulgo Krankmeldung genannt, bleibt zu Hause und kuriert sich so lange aus, bis er wieder arbeiten kann. Bei ganz normalen Erkrankungen, wie einem grippalen Infekt, oder einem Unfall mit einem verstauchten Fuß, funktioniert das auch ganz gut. Doch was ist mit jenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die an einer chronischen Krankheit leiden? Das Robert-Koch-Institut hat vorgerechnet, dass fast genau die Hälfte aller Bundesbürger an irgendeiner chronischen Krankheit leidet. Das können Erkrankungen mit milden Symptomen sein, die die Betroffenen kaum belasten, es können aber auch regelmäßig wiederkehrende Zustände sein, die das Arbeiten in dieser Zeit komplett unmöglich machen. Viele chronisch Erkrankte stehen vor der schweren Entscheidung, ob sie den Arbeitgeber darüber zu informieren oder über ihre Krankheit Stillschweigen bewahren sollen, weil sie andernfalls Nachteile in ihrem Job befürchten.

Keine Pflicht zur Information über den Gesundheitsstand

Die Rechtslage ist völlig klar. Niemand ist verpflichtet, seinen Gesundheitszustand gegenüber dem Arbeitgeber offenzulegen. Betroffene können, wenn sie – was unstatthaft ist – danach gefragt werden, schweigen, ja sie dürfen den Arbeitgeber sogar anlügen. Kein Arbeitnehmer, keine Arbeitnehmerin muss sich also gegenüber der Unternehmensleitung offenbaren. Trotzdem stellt sich für viele die Frage: „Sag ich’s?“ Tatsächlich kann ja eine chronische Krankheit Einschränkungen mit sich bringen, aber wenn der Arbeitgeber darüber Bescheid weiß, kann der aber auch Maßnahmen ergreifen, die den Betroffenen das Leben am Arbeitsplatz erleichtern und so auch die Produktivität möglichst wenig beeinträchtigt wird.

Offenheit ist eine Option

Die frühere Vizepräsidentin der Verbandes der Betriebs- und Werksärzte Anette Wahl-Wachendorf plädiert gegenüber dem Nachrichtensender ntv grundsätzlich für einen offenen Umgang und begründete das unter anderem so: „Kolleginnen und Kollegen können bestimmte Situationen dann besser einordnen.“ Auf der anderen Seite weiß sie, dass es eben nicht immer so vorbildlich funktioniert. Jeder Betrieb ist anders, die Belegschaften sind unterschiedlich und so können die Reaktionen auf eine Offenlegung auch völlig verschieden sein. Doch es gibt eine simple Lösung: Erste Anlaufstation kann deshalb die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt sein. Betriebsmediziner unterliegen nämlich genauso der Schweigepflicht wie alle anderen Ärztinnen und Ärzte. Denkbar ist dann auch, dass die Betroffenen mit betriebsärztlicher Unterstützung das Gespräch mit dem Chef suchen. Hier rät Wahl-Wachendorf allerdings auch, sich nicht zu schnell und zu weit vorzuwagen: „Nicht gleich alle Einzelheiten zu nennen, sondern das Thema erst allgemeiner anzusprechen und zu schauen, wie der Vorgesetzte reagiert.“

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Die Entscheidungshilfe aus dem Netz

„Sag ich’s“? ist nicht nur eine bange Frage, sondern auch der Name eine Portals im Internet, das von der Uni in Köln eingerichtet wurde. Es richtet sich an chronisch kranke Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht wissen, ob sie ihre Vorgesetzten über ihre chronische Krankheit in Kenntnis setzen sollen. Die Webseite soll als Entscheidungshilfe dienen. Dafür gibt es einen Test, der etwa 20 bis 30 Minuten dauert. Durch diesen Test soll die Situation des Erkrankten und sein berufliches Umfeld abgeklärt werden. Nach einer detaillierten Auswertung erhalten die Nachfragenden ihren Test zurück, inklusive einer Handlungsempfehlung. Wichtig ist den Machern dieses Tests, dass die letztliche Entscheidung über eine Offenbarung des chronischen Leidens bei jedem Einzelnen liegt.

Mehr als nur Abfrage

Die Seite „Sag ich’s“ ist allerdings mehr als eine simple Abfrage auf digitalem Wege. Es stehen über das Onlineportal noch jede Menge weiterer Informationen zur Verfügung. So gibt es eine Seite, die sich mit den arbeitsrechtlichen Aspekten beschäftigt. Darüber hinaus haben die Macher der Uni Köln auch zahlreiche Adressen und Informationsstellen zusammengetragen, an die sich Betroffene wenden können.

Peter S. Kaspar

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