Wenn Hitze und Arbeit kollidieren
„Unser letzter Hilfeschrei, Hitzefrei, Hitzefrei“, schallt es während der großen Pause über den Schulhof. Wenn die Temperatur um zehn Uhr schon auf über 27° Celsius geklettert ist, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass die Schulleiterin oder der Schulleiter den Ruf erhört und die Schüler nach Hause schickt. Doch was in der Schulzeit noch ein Hoffnungsschimmer war, gilt in der Arbeitswelt leider nicht mehr. Hitzefrei sieht das deutsche Arbeitsrecht nicht vor. Trotzdem lohnt es sich für jeden Arbeitgeber in den heißen Monaten das Thermometer genau im Auge zu behalten – vor allem im Innenbereich. Verschiedene Temperaturen erfordern verschiedene Maßnahmen. Unternehmen, die das ignorieren, könnte das buchstäblich sehr teuer zu stehen kommen – und damit sind nicht nur Geldbußen gemeint. Bei welchen Temperaturen welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, hat sich DOKTUS einmal genauer angeschaut.
Wie hoch darf die Temperatur am Arbeitsplatz sein?
Nicht jeder Arbeitsplatz ist gleich und auch nicht jeder Arbeitnehmer ist gleich. Trotzdem gibt es einen Temperaturkorridor, in dem ein Arbeiten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern problem- und folgenlos möglich sein sollte. Bei leichten Tätigkeiten in geschlossenen Räumen, liegt sie zwischen 19 und 26 Grad. Ist es zu kalt, lässt sich einfach die Heizung aufdrehen. Doch wie bekommt man die Hitze aus einem Büro, wenn es keine Klimaanlage gibt. Vor allem, was passiert, wenn die 26 Grad überschritten sind? Erst mal gar nichts. Ab dieser Temperatur empfehlen das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) erste Maßnahmen zu ergreifen.
Was sind erste Maßnahmen im Kampf gegen Büro-Hitze?
Trinken, Trinken, Trinken ist die klare Devise, wenn es im Büro oder an anderen Arbeitsplätzen zu heiß ist. Genügend kühle Getränke sollten bereit stehen. Wer daran spart, schneidet sich letztlich ins eigene Fleisch. Auf Kaffee sollte man allerdings lieber verzichten, denn der eignet sich aus einem Grund nicht: er hat dehydrierende Wirkung. Die größte Gefahr bei große Hitze heißt nämlich Dehydrierung. Konzentration und Leistungsfähigkeit fallen rapide ab. Sonderlich produktiv sind dehydrierte Mitarbeiter dann nicht mehr. Ein Ventilator ist gut gemeint. Aber ab einer bestimmten Temperatur bringt er nicht mehr so viel, weil er dann nur noch heiße Luft hin und her wirbelt. Um die Luft nachhaltig zu kühlen, ist ein mobiles Klimagerät sinnvoller. Wichtiger ist da schon, Jalousien herunterzulassen und zu verhindern, dass die Sonneneinstrahlung den Raum noch mehr aufheizt.
Was passiert ab 30 Grad?
Die Temperatur steigt weiter und weiter, schließlich hat sie die 30°-Marke erreicht. Bis zu diesem Punkt gab es nur Empfehlungen. Doch nun ist der Unternehmer schon von Gesetzes wegen verpflichtet zu handeln. Das, was er tun muss, findet er in der Technischen Regel für Arbeitsstätten (ASR). Neben den bereits genannten Punkten gibt es auch noch weitere Möglichkeiten. So wird zum Beispiel empfohlen, den Raum morgens vor Arbeitsbeginn gründlich zu lüften, ehe er sich im Lauf des Tages aufheizt. Es können mehr Pausen eingelegt werden, oder an heißen Tagen wird flexibel gearbeitet, etwa, dass man früher anfängt, dafür aber auch früher aufhört. Die Technische Regel ist zwar zunächst nicht mehr als eine Anregung und besitzt im Gegensatz zum Arbeitsschutzgesetz oder der Arbeitsstättenverordnung keine gesetzliche Verbindlichkeit. Doch wenn es zu Arbeitsgerichtsverhandlungen kommt, greifen die Gerichte gerne auf die Regel zurück, weil sie ein Indikator dafür sein kann, ob ein Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern gerecht geworden ist.
Was passiert ab 35 Grad?
Wenn es nun noch heißer wird und es nicht gelingt, die Temperatur zu drücken, dann wird es tatsächlich knifflig. Hat die Raumtemperatur 35 Grad überschritten, dann ist dieser Arbeitsplatz nicht mehr als solcher geeignet. Zwar kann der Arbeitgeber noch immer irgendwelche Maßnahmen ergreifen, aber da geht es um aufwändige Luftduschen oder gar Hitzeschutz-Kleidung. An ein „weiter so“ ist jedenfalls nicht mehr zu denken. Spätestens jetzt braucht der Unternehmer ein tragfähiges Konzept gegen die Hitze, denn sonst kann es teuer werden.
Welche Konsequenzen drohen Arbeitgebern?
Ist dem Arbeitgeber tatsächlich ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht gegenüber seinen Angestellten nachweisbar, drohen ihm eine Geldbuße von bis zu 30.000 Euro. Doch es kann noch heftiger kommen. Ab 35 Grad können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch einfach ihren Arbeitsplatz verlassen, ohne deshalb Lohneinbußen befürchten zu müssen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie nachweisen können, dass der Arbeitgeber nichts gegen die Hitze in den Arbeitsräumen unternommen, oder dass er die untauglichen Mittel ergriffen hat. Es ist auch denkbar, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter wegen der Hitze kollabiert. In diesem Fall könnte sogar ein Schmerzensgeld im Raum stehen. Grundsätzlich liegt in diesem Fällen aber die Beweispflicht bei den Angestellten.
Peter S. Kaspar