Zwischen gesund und gefährlich
Eigentlich gilt ja Sport als gesund. Sport in vernünftigen Grenzen beugt Herz- und Kreislauferkrankungen vor, stärkt das Immunsystem und soll sogar ein sehr probates Mittel gegen Depressionen sein. Krankenkassen belohnen sportliche Betätigungen, Arbeitgeber fördern Betriebssportgruppen. Doch nicht jede Sportart kommt bei Unternehmern gleich gut an. Was, wenn sich eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer einer Sportart verschrieben hat, die zumindest als gefährlich gilt? Muss das der Arbeitgeber zulassen? Immerhin ist zu bedenken, dass das Unternehmen erst einmal zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, wenn sich Beschäftigte beim außerbetrieblichen Sport verletzen und daher für einige Zeit arbeitsunfähig sind. Die Antwort auf die Frage: Können Arbeitgeber ihren Mitarbeitern bestimmte Sportarten verbieten?
Nein, können sie nicht. Doch wie meistens im Arbeitsrecht ist nichts so einfach, wie es zunächst aussieht. DOKTUS schaut genauer hin.
Was sind gefährliche Sportarten?
Tatsächlich lässt das Arbeitsrecht zu, dass Arbeitgeber Beschäftigten besonders gefährliche Sportarten verbieten. Doch da ist schon der erste Haken. Was sind besonders gefährliche Sportarten? Doch wohl Bergsteigen, Drachenfliegen oder Tiefseetauchen! Alpinisten, Gleitschirmpiloten und Sporttaucher sehen das naturgemäß ganz anders. Ihre Sportarten, so argumentieren sie alle, seien völlig sicher, solange man sich an alle Regeln und Vorgaben hält. Unfälle seien stets das Resultat von Unvernunft, Selbstüberschätzung und Regelübertretungen. Dies scheinen auch die Arbeitsgerichte so zu sehen. Nicht nur die drei genannten Sportarten, sondern auch Big Wave Surfing, Bungee-Springen und Base-Jumping sind auf der Liste der gefährlichen Sportarten nicht zu finden. Die Liste umfasst überhaupt bislang nur eine einzige Sportart – und das ist Kickboxen, das 1989 vom Arbeitsgericht Hagen als gefährliche Sportart eingeordnet wurde. Das mag etwas überraschend klingen, ist aber bei näherer Betrachtung logisch. Die Gerichte gehen nicht von einer potentiell hohen Gefahr aus, sondern haben eher einen quantitativen Ansatz. Die Frage ist nur: Wo ist die absolute Verletzungsgefahr am höchsten? Das scheint nun mal das Kickboxen zu sein. Nun kann man darüber streiten, ob es gefährlicher ist, in den Kick-Box-Ring zu steigen, oder eine 30 Meter hohe Welle im portugiesischen St. Nazaré zu bezwingen. Der Unterschied ist: Es gibt in Deutschland 28.000 Kickboxer, aber nur einen, zumindest bekannten, Big-Wave-Surfer. Es besteht also arbeitsrechtlich gar kein Handlungsbedarf, sich damit zu befassen. Auch bei anderen Extremsportarten, wie etwa Basejumping, ist es schwer an Zahlen zu kommen. Auch hier dürfte die Zahl derer, die diesen Sport betreiben, überschaubar sein. Eine wirkliche Notwendigkeit weitere Sportarten auf die Liste zu setzen, besteht offenbar nicht, weil sich nämlich niemand findet, der gegen eine bestimmte Sportart klagen würde.
Leichtsinn kann teuer werden
Auch wenn der Arbeitgeber bestimmte Sportarten nicht verbieten kann, lauern doch arbeitsrechtliche Gefahren auf Bergsteiger, Taucher und Co. Kommt es zu einem Unfall, muss der Arbeitgeber zunächst den Lohn weiter zahlen – es sei denn, es liegt ein grobes Fehlverhalten vor und der Hobbysportler ist an seinem Unfall selbst schuld. Das könnte nun auch wieder eine Grauzone sein, doch die ist relativ gut ausgeleuchtet. Solange sich ein Sportler innerhalb der erlaubten Parameter bewegt, steht ihm bei einem Unfall die Lohnfortzahlung auch zu. Beispiel Sporttauchen: Taucher sollten sich ab 40 jedes Jahr von einem dafür ausgebildeten Arzt ihre Tauchtauglichkeit bescheinigen lassen. Wer das versäumt, sich im Urlaub während eines Tauchgangs eine Verletzung, etwa wegen Überanstrengung, zuzieht, muss damit rechnen, dass ihm die Lohnfortzahlung verweigert wird. Ähnliches gilt für Regelüberschreitungen. Ist ein Tiefenlimit von 30 Metern gesetzt, der Taucher erleidet aber auf 40 Metern einen Unfall, dann ist der Arbeitgeber ebenfalls nicht verpflichtet, den Lohn fortzuzahlen. Vergleichbare Regeln gelten auch für Fallschirmspringen, Klettern oder Gleitschirmfliegen. Wer sich an die Regeln hält, ist in jeglicher Beziehung immer auf der richtigen Seite.
Ausnahmen für leitende Angestellte?
Trotzdem gibt es für Unternehmen einen Weg, den extremsportlichen Ehrgeiz wenigstens bei einem Teil der Mitarbeiter zu zügeln. Verfügen Mitarbeiter über Werkverträge, wie etwa Schauspieler während eines Drehs, können sportliche Betätigungen während der Drehzeit explizit ausgeschlossen werden. Auch Angestellte in führenden oder in Spitzenpositionen unterliegen nur bedingt dem Arbeitsrecht. Hier kann das Sicherheitsbedürfnis des Unternehmens so hoch sein, dass bestimmte sportliche Betätigungen verboten werden können. Wie hoch dieses Sicherheitsbedürfnis ist, mag ein anderes Beispiel zeigen, das mit Sport nichts zu tun hat. So dürfen zum Beispiel in vielen Spitzenunternehmen Vorstandsmitglieder nicht das gleiche Flugzeug benutzen.
Peter S. Kaspar