Zwischen Laptop und Liegestuhl
Ein Kofferwort geistert seit geraumer Zeit durch die Arbeitswelt, das manchen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gleich mehrere Rätsel aufgibt: Workation. Er setzt sich zusammen aus Work für Arbeit und Vaccation für Urlaub. Was nun? Arbeit oder Urlaub? Beides zusammen scheint doch ein Widerspruch. Nun ja – der Widerspruch ist auch nicht größer als beim Wort Homeoffice. Daheim oder im Büro? Spätestens mit der Coronakrise haben viele Unternehmen die Einrichtung „Home-Office“ zu schätzen gelernt, obwohl auch hier noch längst nicht alle arbeitsrechtlichen Untiefen ausgelotet worden sind. Noch diffiziler ist das Thema „Workation“. Denn wo Urlaub und Arbeit buchstäblich verschwimmen, verschwimmen auch die Verantwortlichkeiten. DOKTUS versucht ein paar der Rätsel zu entschlüsseln und gibt einige Tipps, wie man sich vor unliebsamen Überraschungen schützen kann.
Gute Reise – Gute Vorbereitung
Flexible Arbeitszeitmodelle sind gerade für die Generation der Berufseinsteiger, der Generation Z, ein „Must Have“, was der bildungsbürgerliche Teil der ausscheidenden Baby-Boomer-Generation vielleicht als „conditio sine qua non“ bezeichnen würde. Der Unterschied zwischen der englischen und lateinischen Bezeichnung für eine notwendige Voraussetzung zeigt auch, wie sehr sich die Arbeitswelt verändert hat und wie weit frühere und heutige Ansprüche auseinanderliegen. Arbeitgeber müssen der jungen Generation Möglichkeiten anbieten, die weit über den Tarifvertrag hinausgehen. Die Gelegenheit, im Ausland zu arbeiten, gehört dazu, wie auch das Angebot, Arbeit und Urlaub miteinander zu verbinden. Weder der Gesetzgeber noch die Tarifpartner hatten Letzteres bisher auf dem Schirm. Es liegt also an den Arbeitgebern schon im Vorfeld Vereinbarungen zu gestalten, die sich mit allen möglichen Eventualitäten auseinander setzen. Zahlreiche Dinge gilt es zu bedenken: Krankheit, Unfall, Rechtsschutz, Rücktransport, Haftpflicht, Steuerrecht, um nur einige Punkte zu nennen. Schon im privaten Bereich ist es ratsam, eine Auslandsreise gut vorzubereiten. Noch deutlich höher sind die Ansprüche im geschäftlichen Bereich, da hier oft sehr hohe Summen auf dem Spiel stehen können.
Vor dem Baden zum Betriebsarzt
Für Unternehmen, die seit Jahren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Ausland schicken, ist es Routine. Vor dem Abflug steht ein Besuch bei der Betriebsärztin oder dem Betriebsarzt an. Auslandseinsätze erfordern fast immer eine Vorsorgeuntersuchung für einen „Arbeitsaufenthalt in klimatische belastete Gebiete“ (G 35). Gemeint sind damit Länder, die in den Subtropen, Tropen oder in Polaren Gebieten liegen. Doch selbst, wenn es nur ins benachbarte Ausland geht, ist eine Vorsorgeuntersuchung angeraten. Sie umfasst auch ein EKG, bei dem eventuelle Herzrhythmusstörungen erkannt werden. Auch in Österreich oder den Niederlanden kann ein Mitarbeiter während seines Auslandsaufenthaltes erkranken und muss entweder vor Ort behandelt werden oder ein Rücktransport kann nötig werden. Liegt eine Vorerkrankung vor, die ein solches Risiko einschließt, wird’s schwierig mit einem Arbeitsaufenthalt jenseits der deutschen Grenzen. Geht es über die europäischen Grenzen hinaus, kommen, je nach Reiseziel, Impfungen wie gegen Gelbfieber, Tetanus oder Hepatitis ins Spiel und je nach Aufenthaltsort auch eine Malariaprophylaxe.
Wer haftet wann?
Wer beruflich bedingt und per Dienstanweisung ins Ausland reist, egal ob als Dienstreise oder für einen längeren Arbeitsaufenthalt, ist über die entsprechende Berufsgenossenschaft versichert. Es handelt sich schließlich um einen Auftrag, für den die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ins Ausland geschickt wird. Ganz anders sieht es mit der Workation aus. Bislang stehen die meisten Berufsgenossenschaften auf dem Standpunkt, dass sie Unfälle oder Erkrankungen bei einem Workationaufenthalt nichts angehen, denn Workation ist eben keine berufliche Entsendung, sondern geht in aller Regel auf den Wunsch der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers zurück. Bestenfalls gelten hier die Regeln für das Homeoffice und die sind bislang auch noch, milde gesagt, ein wenig schwammig. Zumindest im Bereich der EU gibt es inzwischen eine Regelung, die Workation dem Homeoffice gleichstellt.
Betriebsvereinbarungen und Versicherungen helfen
Da über die gesetzliche Unfallversicherung im Notfall Ungemach drohen könnte, sind belastbare Betriebsvereinbarungen für die Möglichkeit von Workation unabdingbar. Sie sollte auch ein Versicherungspaket für die workationden Mitarbeiter beinhalten, bestehend aus einer Auslandskrankenversicherung, die einen eventuellen Rücktransport beinhaltet und eine Haftpflichtversicherung. Darüber hinaus sind auch individuelle Vereinbarungen sinnvoll, die spezielle Risiken abdecken. Ein Beispiel: Für Sporttaucher gibt es spezielle Versicherungen über Anbieter wie DAN oder Aquamed, die bei einem Tauchunfall die Kosten für eine Behandlung in der Dekompressionskammer übernehmen, die schnell in den fünfstelligen Bereich gehen kann. Wer welche Versicherung am Ende übernimmt, ist unerheblich, sollte aber Bestandteil der Vereinbarung sein.
Nicht nur gesundheitliche, sondern auch rechtliche Risiken drohen
Es muss ja nicht immer ein Unfall sein, der die Reisefreuden trübt. Bisweilen können die auch hinter Gittern enden. Ein Beispiel dafür bietet die Trauminsel Bali. Sie gilt als klassisches Ziel für Workationde und Influencer. Indonesien vergibt inzwischen sogar spezielle Visa für solche Gäste. Manche Start-Ups und junge Firmen schicken ihr junges Personal ganz gerne auf die Insel der Götter. Ein Kalkül dabei sind farbenfrohe oder spektakuläre Bilder und Videos, die in den sozialen Netzen landen und so die Bekanntheit oder das Image der Firma mehren. Das kann aber auch ziemlich schief gehen. In jüngster Zeit sind einige Influencer erst im Knast und dann in einem Abschiebeflieger gelandet, weil sie – nur spärlich bekleidet – in balinesischen Tempelanlagen posierten. In Singapur kann schon der Besitz von Kaugummi oder eine weggeworfene Zigarette sehr teuer werden. Wer betrunken randaliert, den erwarten Gefängnis und bis zu 15 Stockschläge. Drogenvergehen können in asiatischen Ländern sogar in der Todeszelle enden. Dinge, die in unseren Breitengraden als lässliche Sünden gelten, können in anderen Ländern teure Angelegenheiten werden und Unwissenheit kann schlimme Folgen haben. Für diesen Fall empfiehlt sich ebenfalls ein passender Versicherungsschutz.
Steuer nicht vergessen
Schließlich gilt es auch noch das Steuerrecht zu bedenken. Das spielt eine Rolle, wenn der Auslandsaufenthalt länger als 183 Tage dauert, dann gilt das Steuerrecht des Gastlandes. Innerhalb der EU ist auch das längere Arbeiten etwa im „Homeoffice im Ausland“ ziemlich problemlos möglich. Die EU hat dafür mittlerweile auch einen Rechtsrahmen geschaffen, die Kranken- und Sozialversicherung mit einschließt. Schwierig wird es im außereuropäischen Ausland, wo die unterschiedlichsten Gesetze gelten. In manchen Länder ist sogar für einen kurzen Workation-Aufenthalt ein Arbeitsvisum notwendig. Und auch Steuern werden dann fällig (falls es kein Doppelbesteuerungsabkommen gibt), weil ja die Wertschöpfung im Gastland stattfindet.
Peter S. Kaspar
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